Eine kulinarische Reise durch München

Das zweite Küchenwunder – Die neue Münchner Schule

Auf einmal war es da, das neue Küchenwunder. Ein Fine-Dining-Restaurant nach dem anderen machte auf, hoch dekorierte Sterneköche und -köchinnen verließen ihre bisherigen Arbeitgeber, um sich selbstständig zu machen. Die Verlassenen wiederum holten sich neue Spitzenköche. Dazu kamen weitere junge Küchenchefs, die etwas andere Ideen hatten, was man heutzutage so auf Tisch und Teller bringen könnte. Die Pandemie und die damit verbundenen Lockdowns wirkten als Katalysator, krempelten die Gastro-Szene in München um. Und als das alles vorüber war, stand sie viel heller und strahlender da als zuvor. Dank junger, kreativer Köpfe und einem Publikum, das sich endlich wieder etwas leisten wollte und das auch konnte.

Um einen kleinen Einblick in unser neustes Buch „Sterne des Südens“ von Franz Kotteder zu erlauben, führen wir Sie auf eine kulinarische Reise durch München und stellen drei der Köch:innen aus dem Buch vor …

 

Christoph Kunz im KOMU Restaurant

Sehr viel spektakulärer kann man als einfacher Koch in Paris wohl kaum arbeiten, als es Christoph Kunz eineinhalb Jahre lang getan hat: In 115 Meter Höhe auf dem Eiffelturm im Sternerestaurant Jules Verne. Der gebürtige Freiburger war in der Küche des Restaurants, das damals zur Gruppe des französischen Starkochs Alain Ducasse gehörte, nacheinander Postenchef für die Saucen, den Fisch und die kalten Speisen, und es war gleich sein zweiter Job gewesen nach der Ausbildung im bekannten Freiburger Hotel Colombi, dem besten Haus am Platze in seiner Heimatstadt.

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„Es ist nicht so, dass ich in der Küche bestimme und sage: Wir haben folgende Gerichte, überlegt euch was dazu. Sondern jeder bei uns hat seinen eigenen Ansatz, seine eigene Handschrift. Wir treffen uns aber immer am gleichen Punkt, und das ist das Schöne. Wir haben drei, vier völlig unterschiedliche Charaktere in dieser Küche, aber am Ende ergibt das eine einheitliche Sprache, und die spiegelt sich im Menü wider. Das ist für mich das größte Glück, das ich habe.“

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Nachdem Christoph Kunz viele Jahre als Angestellter bei renommierten Restaurants, wie zum Beispiel das Restaurant Alois – Dallmayr Fine Dining**, gearbeitet hat, rief ihn nun die Selbständigkeit. Schließlich fand er den idealen Ort für ein eigenes Restaurant mitten im Zentrum der Stadt, in der Hackenstraße. Seit Sommer 2023 hat sein Komu nun geöffnet; das ehemalige Ladengeschäft wurde höchst aufwendig renoviert, mit gemütlichen runden Sitzecken und heller Holzverkleidung an den hohen Wänden. Hier macht Kunz nun auf eigene Rechnung das, was er am besten kann: Fine-Dining-Küche auf höchstem Niveau. Die aber nicht hochnäsig daherkommen soll – im Gegenteil: „Leidenschaftlich, ausgelassen und ganz ungezwungen“ soll es im Komu zugehen, wünscht er sich. Und was die Gerichte angeht, gilt das, was er schon zuvor als Credo ausgegeben hat: „Ich will eine Küche, die man beim ersten Bissen versteht – bei der man aber, wenn man das Gericht noch ein zweites oder drittes Mal isst, jedes Mal wieder eine neue Nuance entdeckt.“

 

Nathalie Leblond im Les Deux Restaurant & Brasserie

Sie liebt Obst, vor allem Zitrusfrüchte. Und Nüsse. Eine gewisse Schwäche für Säure kann man ihren Gerichten anmerken, denn sie spielt gerne damit. Darauf wäre man nicht gleich gekommen. Und in der Tat ist es durchaus überraschend, dass in einer Sauce zum Lachs ausgerechnet Passionsblumen- und Birnensaft ebenso wie reduzierter Noilly Prat und Piment d’Espelette Verwendung finden, und – jawohl – auch mal eine Mandarine. Oder dass Couscous mit einer Spur von Macadamianüssen aufgewertet wurde.

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„Die Zeiten sind vorbei, wo man sich als Frau hintanstellen muss, was den Beruf angeht. Warum auch? Natürlich braucht man als Frau in unserem Beruf auch Durchhaltevermögen, und man darf manche Dinge nicht so ernst nehmen. Da braucht es oft einen guten Humor und ein gewisses Selbstbewusstsein. Ich wünsche mir schon mehr Frauen im Job. In meinem Team gibt es außer mir noch zwei Frauen; die Chef-Patissière ist zugleich eine meiner besten Freundinnen. Und vor Kurzem hat auch eine junge Frau, Luzi, bei uns als Entremetière angefangen. Familienfreundlich ist unser Beruf allerdings nicht gerade, besonders nicht in der Sternegastronomie. Da ist man dann schnell weg vom Fenster.“

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Dann kam die große Chance ins Les Deux weiterzuziehen, wo ihr Mann ja bereits arbeitete. Zusammen mit dem bisherigen Sous-Chef Gregor Goncharov sollte sie die Küchenleitung übernehmen. Eine Doppelspitze erschien dem Patron Fabrice Kieffer sinnvoll, nachdem das Les Deux eigentlich aus zwei Restaurants besteht, einer Brasserie im Erdgeschoss und einem Gourmetlokal im ersten Stock. Beides zu bespielen ist zwar möglich, aber doch sehr herausfordernd. Umso besser, wenn man zu zweit ist und es sich aufteilen kann.

Seit Anfang 2022 ist Nathalie Leblond nun alleinige Küchenchefin, hat aber mit Marc Fröhlich und Florian Brunner zwei Sous-Chefs. Der Stern, sagt sie, war eine große Auszeichnung, auch wenn ihr der Job so oder so große Freude macht und sie nicht darauf hingearbeitet habe: „Aber natürlich war ich stolz“, sagt sie und scherzt: „Es darf auch gern noch einer mehr werden! Da bin ich nicht so.“

 

Florian Berger im Restaurant Gabelspiel

Es sollte über den großen Teich gehen, Florian und sein Spezl wollten eines Tages in New York kochen, das war das Ziel der beiden Jungköche. Der Spezl blieb dann doch in Österreich, und Florian Berger ist letztlich in Giesing gelandet. Einem Stadtteil, der bis heute als Arbeiterviertel und als Hochburg des einst ruhmreichen Fußballvereins TSV 1860 München gilt, kulinarisch aber eher kaum größer in Erscheinung getreten ist – sieht man einmal davon ab, dass McDonald’s hier im Dezember 1971 seine erste Filiale in Deutschland eröffnet hat.

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„Irgendwann einmal möchte ich eine Eisdiele aufmachen. Das ist so eine Spinnerei von mir, die ich mir mal in den Kopf gesetzt habe, ein heimlicher Wunsch. Muss nicht gleich sein, auch nicht in zehn Jahren. Aber das Schöne an einer Eisdiele ist: Man hat mit immer gut gelaunten Menschen zu tun. Denn wer sich ein Eis holt, der ist in aller Regel nicht schlecht drauf, oder?“

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Mit seiner Frau Sabrina machte er sich auf die Suche nach der passenden Location, um sich selbstständig zu machen. In einem ehemaligen Bauernhof in Giesing wurden sie schließlich fündig. Maximal 25 Gäste haben hier Platz, es gibt einen kleinen Nebenraum für Familienfeiern, und im Sommer lässt sich der schöne Garten an der Zehentbauernstraße nutzen. „Ich möchte es gar nicht größer haben“, sagt Berger. So ist das Lokal groß genug, um davon leben zu können, aber immer noch so klein, dass man sich dort interessante Experimente erlauben kann. Und es dürfte wenig Sternerestaurants geben, ob in Giesing oder New York, in denen der Koch sagt: „Wir wollen so einmal die Woche ein neues Gericht ins Menü einbauen.“ Seine Kreativität und die seines Teams ist offenbar ungebrochen, denn gerne jongliert er mit Farben und überraschenden, ironischen Wendungen. Dann spielen sie im Gabelspiel mit Texturen oder Konsistenzen, und dann erinnert die marinierte und zart gegarte Pastinake fast an eine Banane und ist mit knusprigen Butterbröseln wie aus Ferran Adriàs Molekularbaukasten bestreut. Die Süddeutsche Zeitung verglich ein Menü bei ihm in ihrer berühmten Restaurantkolumne „Kostprobe“ einmal mit einer „Wanderung durch eine märchenhafte, verfremdete Landschaft“. Das scheint mehreren Gästen so zu gehen, denn wie sagte ein Gast aus einer Herrenrunde einmal so schön, dass es den Bergers im Gedächtnis geblieben ist: „Schade, dass es schon vorbei ist, denn jetzt müssen wir wieder zurück in die normale Realität.“

 

Fotocredits: JUNI