1. Wie kam es dazu, dass Sie die Autorin dieses Projekts wurden? Waren Sie davor schon emotional bei diesem Thema dabei?

Ich habe als Autorin bereits mehrere Titel für den Callwey-Verlag geschrieben wie „Frauen & ihre Refugien“, „Vom Glück mit Büchern zu leben“ und „Mütter & Töchter“. Als mich die von mir hoch geschätzte Verlegerin, Dr. Marcella Prior-Callwey, anrief und von diesem neuen Projekt erzählte, war ich begeistert. Denn den Freiheitskampf der iranischen Frauen hatte ich atemlos verfolgt. Frauenrechte sind eines der globalen Themen, die mich schon lange bewegen. Nicht zuletzt weil ich eine Tochter habe, mit der ich viel darüber diskutiere.

 

  1. Was war für Sie persönlich der emotionalste Moment bei dieser Reise?

Es gab viele emotionale Momente. Nach jedem Gespräch mit den Protagonistinnen blickte ich wieder und wieder zurück in deren ganz eigene Themen, bevor ich begann die Texte zu schreiben. Manche weinten bei unseren Interviews, andere hatten Tränen in den Augen, als sie von den Schicksalen ihrer Eltern sprachen, von Folter und Flucht. Und vom aktuellen Kampf der iranischen Frauen um ihre Freiheit. Positiv emotional war für mich der ungeheure Lebensmut und die Lebensfreude, mit der meine Interviewpartnerinnen ihr Schicksal in die Hand genommen und daraus etwas Großes gemacht haben. Schlimm war die Zeit nach dem 7. Oktober 2023, nach dem Überfall der Hamas auf Israel, den Massakern und Vergewaltigungen. Mehrere Teilnehmerinnen an diesem Buch hatten persönliche Verbindungen in die Region und erzählten, was ihre Familien gerade erlebten. Das hat mich ins Mark getroffen.

 

  1. Während Ihrer Karriere als Journalistin und Autorin haben Sie bestimmt auch immer selbst vieles dazugelernt. Wie haben Sie die Gespräche mit den 20 Frauen erneut inspiriert? Was konnten Sie mitnehmen?

Ich habe in den Gesprächen drei wichtige Dinge gelernt:

Erstens: Wie schwierig Integration für die Menschen sein kann, die als politisch Verfolgte aus ihrer Heimat fliehen und in einem Land neu anfangen müssen. Das fängt bei der Sprache an, geht bei finanziellen Schwierigkeiten weiter, zudem gibt es keine vertrauten Netzwerke. Ich ziehe meinen Hut vor ihnen und möchte alle Menschen dazu auffordern, sich einmal in eine solche Lage zu versetzen.

Zweitens hat mich die Schaffens- und Schöpferkraft der Frauen ungeheuer inspiriert. Wie sie aus dem Leben zwischen zwei Welten Karrieren in Schauspiel, Journalismus, Politik und der Musikbranche gemacht haben. Wie sie ihre Sensibilität, interkulturelle Bildung, ihren Drive eingebracht haben. Echte Vorbilder.

Drittens bin ich in die Kultur Irans eingetaucht, mit Gedichten, Mustern, Geschichte, köstlichen Speisen. Auch in eine sehr warme und herzliche Art, miteinander zu kommunizieren. Je länger ich mich damit befasste, umso süchtiger würde ich danach. Leider kann ich in der augenblicklichen politischen Lage als Journalistin nicht in das Land reisen.

 

  1. In diesem Buch sind einige Rezepte der einzelnen Frauen: Haben Sie selbst schon etwas ausprobiert? Was hat es in Ihnen ausgelöst?

Na klar! Da ich eine begeisterte Köchin bin und mich viel mit schöner Tischdeko beschäftige, ist die persische Küche ein neuer ästhetischer Himmel für mich. Die Farben, die Aromen! Mein neues Basisrezept ist das köstliche Reisgericht Tahdig, der mit Safran aromatisierte Reis mit Knusperkruste. Er ist ganz leicht zu machen, wenn man einmal den Bogen raus hat. Unsere Fotografin Neda Rajabi hat mir per Telefon Tipps gegeben, als ich damit das erste Mal am Herd stand. Die Herausgeberin Leyla Piedayesh sah bei meinem ersten Versuch auf Insta sofort, dass ich den Safran nicht gemörsert, sondert die Fäden nur eingeweicht hatte – und sagte: „Du hast mehr von Deinem Safran, wenn Du ihn in den Mörser gibst!“

Dann habe ich den Gurkenjoghurt von Jasmin Tabatabai, den Mast-o-khiar, und die Kräuter-Frittata von den beiden Wissenschaftlerinnen aus dem Food-Lab „Dr & Dr“ mit dem Rote-Bete-Dip gekocht. Mich fasziniert es, wie die Gerichte gelb, rot und grün leuchten. Zudem ist die persische Küche mit ihren vielen Kräutern, Nüssen und Gewürzen sehr gesund. Ein Superfood! Nun koche ich mich immer wieder durch das ganze Buch.

 

  1. Neben den Rezepten, haben die Protagonistinnen auch Playlists geteilt, nun also dieselbe Frage dazu: Haben Sie selbst schon ein besonderes Lied angehört? Was hat es in Ihnen ausgelöst?

Und die Musik! So viele neue Entdeckungen für mich, die ich selber eine begeisterte Chorsängerin und Chordirigentin bin. Spontan fasziniert hat mich die legendäre Sängerin Googoosh, die ich nicht kannte, obwohl sie eine Ikone der iranischen Popkultur ist. Ich begann mit dem Lied „Gharibe Ashena“ und machte mir dann eine ganze Playlist. Es geht in diesem Lied um einen fremden Soulmate, nach dem wir uns wohl alle sehnen, einen fremden Vertrauten. Dann bin ich auf den Sänger Dariush mit seiner warmen Bassstimme gekommen, dessen lyrische, manchmal ein wenig melancholische Musik mir direkt ins Herz geht. Seine Balladen und politisch gefärbten Songs erinnern mich ein wenig an meine geliebten französischen Chansonniers. Die Musik dieses Buches zu entdecken, ist wie eine Reise auf einen neuen, unbekannten Kontinent.

 

  1. Als jemand, der die Erfahrungen der Protagonistinnen ein wenig „von außen“ betrachtet: Wie haben Sie sich in den Interviews gefühlt?

Ich fühlte mich aufrichtig beschenkt, dass mir die Frauen ihre Leben erzählt haben, sehr ehrlich und ernst. Ich fühlte mich verantwortlich dafür, diese Geschichten in eine angemessene Form zu bringen, um sie möglichst vielen Leserinnen und Lesern verständlich zu machen. Zudem fühlte ich mich dankbar, dass ich selber in meiner Jugend die Erfahrung von Flucht und Neuanfang nicht machen musste. Ich fühlte mich ihnen jedoch unausgesprochen sehr verbunden, da meine Großeltern nach dem Zweiten Weltkrieg Flüchtlinge waren, aus ihrer Heimat gerissen wurden und nur mit einem Rucksack auf dem Rücken und den Kindern an der Hand neu anfangen mussten. Vieles, was meine Interviewpartnerinnen mir über Traumata und Schmerz in den Familien berichteten, kannte ich als Thema aus meiner eigenen Familie. Wir dürfen als Bürgerinnen dieses Landes einfach nicht zulassen, dass wieder so etwas passiert. Und uns für Menschenrechte einsetzen. Dieses Buch hat mich noch stärker politisiert, als ich ohnehin schon war.

 

  1. Was war für Sie das größte Learning an dieser Reise?

Dass Mut und Lebensfreude unser größter innerer Quell ist, auch wenn es im Leben sehr schwierig werden kann. Dass menschliche Wärme unbezahlbar ist. Dass ein geteiltes Essen mit Freunden ungeheuer wertvoll sein kann. Schließlich: dass Schönheit um uns herum unsere Seelen jubilieren lässt. Und dafür braucht es keine Geldberge. Gemeinsames Singen, Tanzen und Gedicht-Rezitieren – das ist es!

 

Fotocredit: Neda Rajabi @neda.rajabiiii