Herbst-Blues oder das Blaue vom Himmel

Jedes Jahr um diese Zeit das gleiche Dilemma: Kaum ist man aus dem Sommerurlaub in südlichen Gefilden zurück zeigen sich daheim schon die ersten herbstlichen Vorboten wie Schoko-Nikoläuse und warme Pullis in den Läden. Ein echter Schock – vergleichbar mit dem Gefühl, wenn bei der Rückfahrt über den Brenner dank Tiefdruckgebiet „Wilma“ Schnee auf der Passhöhe liegt und für die erste Gänsehaut seit Wochen sorgt.

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Dann die ungewohnte Kühle am Morgen, Bodennebel auf den Wiesen und deutlich kürzere Tage. Und als würde das noch nicht reichen folgt die Höchststrafe. Da können sich alle, die keinen Garten haben, ausnahmsweise mal glücklich schätzen. Denn ihnen bleibt ein echtes Bild des Jammers erspart, wenn sie daheim aus dem Fenster schauen: Kein üppig blühender Oleander und duftender Rosmarin wie gerade noch am Mittelmeer, sondern verwelkte Blumen, unter Wasser stehende Blumentöpfe und triefnasse Blätter. Was für ein trauriger Empfang!

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Das ist der Moment in dem der Beschützertrieb erwacht. Retten, was noch zu retten ist! Dabei ist nichts zu spät und erst recht nichts vorbei. Gut – die meisten Sommerblumen sind verblüht. Sind ja schließlich Sommerblumen. Aber die Ablösung ist schon in Sicht: winzige Alpenveilchen, die sich zögernd aus der Erde schieben, ebenso wie die Blüten der Herbstzeitlosen. Vor Kraft strotzende Knöterich-Ähren in knalligem Rot, wogende Gräserhalme, ein Meer aus Astern-, oder Sonnenhutblüten, das ganze Gartenjahr über schon in Lauerstellung – alles für diesen Moment. Ok, ok, Herbstboten – ihr habt gewonnen! Und mich wieder mal überzeugt.

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Es gibt ja viele Leute, die der kalten Jahreszeit rein gar nichts abgewinnen können. Die erst lange Hosenbeine hassen und später Jacken, Mützen und Schals. Kann ich verstehen. Aber wenn man einen Garten hat, sieht man die Jahreszeiten in einem anderen Licht. Klar – das ewig gleich warme Klima der Tropen ist angenehm, viele Pflanzen dort sind immergrün und blühen das ganze Jahr. Bei uns herrscht aber auch jahrein, jahraus buntes Treiben im Beet – und das sogar mit immer neuen Blütenaspekten. Mal abgesehen vom jährlichen Sommerurlaubs-Jetlag ist das doch herrlich – gerade jetzt im Spätsommer – dazu die klare Luft, der blaue September-Himmel und die leuchtenden Farben von Wildfrüchten, Chrysanthemen im Topf und buntem Herbstlaub. Ganz ehrlich: Das ist ein Anblick, der von innen wärmt!

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Außerdem wird ja durch den Urlaub auch viel ungeduldige Wartezeit verkürzt. Zucchini, Tomaten, Kartoffeln und auch schon einige Obstbäume sind bei der Rückkehr erntereif. Nichts schmeckt schließlich so gut wie der erste Zwetschgendatschi der Saison! Hagebuttenzweige in Vasen schmücken das Haus und leuchtende Kürbisgesichter vor der Tür verbreiten gute Laune. So hat alles seinen Sinn und seine Zeit. Goldene Gartentage warten – wenn das keine schönen Aussichten nach dem Urlaub sind!

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Fotos © Christina Freiberg