Bekanntgabe der Preisträger
1. Preis: Ruinelli Associati Architetti, Soglio
Umbau eines Stalls zum Wohnhaus in Soglio
„Die Entscheidung der Jury für die umgebaute Scheune im schweizerischen Soglio von Ruinelli Associati fiel einstimmig aus. Kein anderes Wohnhaus innerhalb der großen Auswahl konnte so eindeutig überzeugen und begeistern. Die bestehende Scheune ist für sich schon ein Meisterwerk an materialisierter Regionalität und Authentizität mit ihrem Natursteinmauerwerk, den auf Abstand gelagerten Holzbohlen im First und dem originalen Steinplattendach. Den Ansatz, beim Umbau eben nicht auf einen deutlichen Kontrast von Neu und Alt zu setzen, und auch keine Box im Sinne eines Hauses im Haus ins Innere zu platzieren, sondern stattdessen Alt und Neu miteinander zu vermengen, also weiterzubauen, wird als sehr glücklich angesehen. Denn das, was der Architekt Armando Ruinelli als neue Materialität hinzufügt, wie Stampfbeton für alle Wände und rohe Eichenplatten für alle Decken, fügt sich hervorragend mit dem Bestand. Herausgekommen ist eine wunderbar sinnliche Kombination, wie sie jedem Architekten als Ideal vorschwebt, wenn er davon träumt, ein alpines Steinhaus umzubauen. Den Wenigsten gelingt dies so bravourös wie hier.“
Peter Cachola Schmal
Auszeichnung: Axel Steudel, Köln
Einfamilienhaus nach traditionellem Vorbild in Köln
„Die Jury würdigt bei dem besprochenen Haus die solide Bauweise, auf Dauerhaftigkeit ausgelegte Materialwahl und das im gegebenen Rahmen fortschrittliche Energiekonzept bei sehr angemessenen Kosten.
In der Symmetrie der Frontfassade sucht das Gebäude in seinem Umfeld am Rande eines Kölner Neubaugebiets nach Distinktion durch Ausgewogenheit der Proportionen. Ein massiver Sockel stemmt sich über das Einerlei der Umgebung und gibt dem Ensemble dadurch etwas Burghaftes. Hier wurde im Hinblick auf traditionelle Methoden und überlieferte Erfahrungen geplant und handwerklich solide gebaut. Es bleiben Eindrücke von Repräsentation, Sicherheit, Geborgenheit und ansonsten im positiven Sinne nicht allzu Ungewöhnlichem. Das Haus möchte dem Versuch nachgehen, auf die Merkmale traditioneller Bauweise eine der heutigen Zeit entsprechende Antwort zu finden. Die Frage, ob das sogenannte traditionelle Bauen in dieser Form wirklich als zeitgemäß empfunden werden kann, ließ sich jedoch am Ende nicht eindeutig beantworten.“
Sebastian Finckh
amunt – architekten martenson und nagel . theissen, Stuttgart
Passivhaus in Tübingen
„Das Haus ist ungewöhnlich, vor allem ungewöhnlich gut. Die üblichen Erwartungen an ein Wohngebäude werden nicht erfüllt, es ist sperrig, ästhetisch unbequem und seine Wirkung ist mysteriös. Die Qualität offenbart sich erst bei näherer Betrachtung. Die übliche Erfüllung der funktionalen und planungsrechtlichen Erfordernisse gelingt ungezwungen und endet nicht in zwanghafter Zurschaustellung. Die spröde Fassade aus üblicher Dachpappe verleiht durch ihre intelligente Anwendung der Erscheinung eine eigenständige Noblesse und Eleganz, die Gliederung durch Einschnitte, Abschrägungen und Auskragungen verarbeitet subtil bekannte formale Elemente und durch ein entspanntes Einfügen differenzierter Fensterformate gelingt eine verstörende Harmonie. Der skulpturale Baukörper zwingt der Umgebung keine Dominanz auf und weckt das Interesse an seinem Innenleben. Dessen konsequente monomaterielle Ausführung und Ebenen übergreifende Verschränkung offener Raumstrukturen führt zu einem organischen Nutzungsgefüge wohltuender Einfachheit.“
Paul Kahlfeldt
Schneider & Schneider Architekten, Aarau
Wohnhaus mit Pferdestallungen im Mittelland
„Der Entwurf stellt eine vorbildliche Lösung für eine funktionale Verbindung der Nutzungen – Wohnen und Pferdehaltung – im landwirtschaftlichen Kontext dar. Die differenzierte, fast skulpturale Ausgestaltung des Gebäudekörpers verknüpft in gelungener Weise den monolithischen Eindruck mit der Landschaftsgestaltung und -bebauung. Ein konsequenter Umgang mit Sichtbeton in besonderer Oberflächenstruktur verleiht dem Ensemble sein charakteristisches Aussehen. Die Verwendung von ausschließlich ökologisch und baubiologisch geprüften Materialien zeugt vom nachhaltigen Ansatz. Seine vorbildliche Ausführung sowie die hohen Qualitätsstandards finden im Inneren des Gebäudes ihre Fortsetzung. Das Wohnhaus erreicht den Schweizer Minergie-Standard.“
Thomas Kaczmarek
Die Jurysitzung 2011
Alles neu, alles anders: Häuser des Jahres 2011
Bericht von der Jurysitzung am 08. Apri 2011
In aller Regel finden Jurysitzungen hinter verschlossenen Türen statt. Erschütternde Nachrichten über die epochalen Dispute der Preisrichten dringen nur gerüchteweise nach außen. Wir haben deshalb versucht, anhand der Gebärden und Mundbilder den Juroren von den Lippen zu lesen. Hier folgt eine leider nicht mehr nachprüfbare Rekonstruktion…
Am 8. April tagte im Callwey-Verlag die Jury zum Architekturpreis “Häuser des Jahres 2011″.
Hier zeigen wir (wie es in Pressetexten gerne heißt) die „hochkarätige“ Jury (v.l.n.r.):
Paul Kahlfeldt (Kahlfeldt Architekten), Gerhard Matzig (Ltd. Redakteur Süddeutsche Zeitung), Sebastian Finckh (Jürgen Mayer H. Architekten), Peter Cachola Schmal (Direktor Deutsches Architekturmuseum), Wolfgang Bachmann (Herausgeber Baumeister), Thomas Kaczmarek (InformationsZentrum Beton).
Das ist also die Jury? Warum so ernst, meine Herren? ermunterte die Verlegerin, wollen wir nicht zuerst einmal zusammen etwas singen?
Aber die verantwortungsvolle Aufgabe der Juroren war es, aus über 180 Einsendungen treuhänderisch die Preisträger zu ermitteln. Da war Ernsthaftigkeit gefragt.
Der einstimmig gewählte Vorsitzende bat um eine faire Beurteilung und ein kollegiales Miteinander.
Gut war, dass die Preisrichter regelmäßig an den Übungen der Rückenschule teilgenommen hatten. Einige suchten zwischendurch, die tatsächlichen Dimensionen der großzügigen Grundrisse beim simulierten Ablaufen zu verstehen.
Extratouren und Sondervoten wurden nicht geduldet…
…und kamen sofort ins Protokoll.
Was macht eine Familie mit 1600 Quadratmeter Wohnfläche? fragte sich ein Preisrichter. In Waldtrudering, da gibt es Häuser…
Ist doch klar, Herr Kollege, wenn die Bevölkerung schrumpft, vergrößert sich für den Rest die Wohnfläche automatisch.
Ich hab’s gerade mal überschlagen: Da passt unser Haus vierzehneinhalbmal hinein.
Aber es hat nur ein Fünfzigstel gekostet!
Als Journalist halte ich mir das Wohnen für das Existenzminimum immer vor Augen.
Meine Herren, können wir die private Unterhaltung jetzt bitte einstellen!
Vierzehneinhalb mal… Wenn das Katharina erfährt.
Wie alt ist das Ding hier? Ist das aus dem modernen Antiquariat? Das muss ich Jürgen zeigen. Performativer Glattputz, phänomenal…
Perforierter Putz, Herr Kollege? Was soll das sein? Das sind ganz einfach Bauschäden in der Thermohaut.
Das ist Beton, prima Sichtbeton. Die konischen Löcher kommen von den Ankern der Schalung.
Das schreib ich mir sofort auf: Sichtbeton! Diese Schweizer. Sicht-be-ton… Was es alles gibt.
Aber der Abstand, zwei Finger breit, da kommt doch nie ein Sonnenstrahl hin.
Das ist doch maßstäblich verkleinert! Außerdem geht es um den städtischen Raum, nicht um private Extravaganzen. Zu viel Sonne erzeugt eh’ nur Hautkrebs.
Aber ohne Sonne…? Ich hab mal irgendwo gelesen, entweder bei Rudolf Steiner oder Dieter Bohlen, dass Nachhaltigkeit…
Wir können uns keine Nachhaltigkeit leisten, wenn wir die Vergangenheit ignorieren.
Moment mal, das haben wir gleich. Hier war ein wunderbares Holzhaus dabei, ich hab’s gefunden.
Was, das ist gar kein Beton? Ich dachte das auf dem Foto war erst die Schalung.
Ist doch egal. Erscheinung und Wirkung bestimmen sich aus der Aufgabe, Gestalt und Form resultieren aus der Konstruktion. Die Zeiten willkürlicher Verkleidungen aus geschmäcklerischen Texturen und beliebigen Materialien zur Verblendung einfachster Tragwerke sind vorbei.
Das war druckreif, das schreib ich mir auf für mein nächstes Buch: Meine Frau will einen Gärtner.
Dann sind wir aber flugs im 19. Jahrhundert. Hier sehen Sie…
…das ist nicht massiv. Verkleidung hin oder her: Das ist eine zweischalige Wand.
Wir haben auch eine historische Verantwortung. Hier ist zum Beispiel zufällig eine Arbeit…
…ich halte sie mal hoch, die…
…das haben Sie doch selbst gebaut!
Jetzt reicht es aber! Das nehmen Sie sofort zurück.
Sonst spiele ich nicht mehr mit.
Die sind so gemein. Das nächste Mal schick’ ich Petra.
So ein Kindergarten. Wir haben doch bis jetzt sehr gut gearbeitet, können wir nicht langsam zu einer Entscheidung kommen? Sonst machen wir jetzt Mittag, ich hab’ einen Bärenhunger.
Wir waren doch schon nahe dran.
Ich glaub’, mich tritt ein Pferd! Architekten haben von Architektur so viel Ahnung wie Vögel von Ornithologie.
Da hilft nur eine strenge Klausur. Wir gehen jetzt in den Tiefkeller und entscheiden im Dunkeln, wenn Sie sich von Bildern so ablenken lassen.
Ok. Mir auch zwei Helle für den Keller. Sonst halt’ ich das nicht aus.
Stunden später.
Na, ging doch. Sogar ohne Hammelsprung. Und alle freuen sich.
Damit stehen die Sieger fest. Ich danke der Jury für ihre konstruktive Arbeit.
Erstaunlich. Ich könnte da nicht drin wohnen.
Das war doch abzusehen. Für mich stand der Sieger von der ersten Minute an fest.
Die Journalisten, natürlich… Wissen immer alles von Anfang an besser.
Das Ergebnis können wir doch alle mittragen, nicht wahr? Dann rufen wir jetzt die Verlegerin.
Gruppenbild mit Dame.
Die Entscheidung der Jury wird im September mit Erscheinen des Buches mitgeteilt.
Hier finden Sie die Beiträge zu den weiteren Wettbewerben:
Häuser des Jahres 2014
Häuser des Jahres 2013
Häuser des Jahres 2012