Am 23. September erscheint das Buch „Mütter & Töchter. Wie wir wohnen, und was uns verbindet“. Es ist nach Frauen & ihre Refugien und Vom Glück mit Büchern zu leben das dritte gemeinsame Wohnbuch von Stefanie von Wietersheim (Text) und Claudia von Boch (Fotos).
In einer kleinen Serie nehmen sie uns mit auf die Reise zu den Wohnungen in denen sie 20 Mütter&Töchter-Paare interviewten, lassen uns hinter die Kulissen blicken und geben eine Idee davon, dass es ein langer Weg ist, bis ein solches Buch schlussendlich gedruckt im Buchhandel vorliegt. Starten wir zunächst mit einem Bericht, bevor die eigentliche Reisetätigkeit einsetzt. Warum dieses Buch? Wie „findet“ man entsprechende Paare? Und blicken dabei tief in das Seelenleben von Autorin Stefanie von Wietersheim, die so manche Achterbahnfahrt der Gefühle auszuhalten hatte …
Generell: „Mütter & Töchter“ ist das komplexeste, das schwierigste, aber auch das schönste Buch, das ich jemals gemacht habe. Das Thema wurde in diesem Jahr des Produzierens und Schreibens eine regelrechte Obsession. Ich träumte das Thema, ich sah das Leben nur noch durch die „Mütter & Töchter“-Brille. Warum dieses Buch so kompliziert zu machen war (und ich hoffe, man spürt beim fertigen Buch nur die Leichtigkeit, wie bei einem Ballett!) …
Es liegt einfach am Thema: wir brauchten immer ein Duo, immer zwei Teile, Mutter UND Tochter. Die dazu beide als Einzelpersonen etwas zu sagen haben, dieses gut in Worte kleiden können und die ein langes Doppelinterview miteinander spannend gestalten können. Wir wussten: jeden Paar bekommt 20 Seiten Platz, eine große Bühne – da brauchten wir einfach tolle Persönlichkeiten, egal, ob sie prominent waren oder ganz normale Frauen wie Du und ich.
Um zehn Paare von diesem Projekt zu überzeugen, habe ich sicher 80 Paare kontaktiert. Auf der Wunschliste standen noch mehr, doch stellte sich schon bei den Recherchen im Vorfeld und in Gesprächen mit Agenten bei ihnen heraus, dass manche ein so schlechtes Verhältnis haben, dass man das Thema gar nicht ansprechen durfte. Manche tollen Mütter, Schauspielerinnen, Unternehmerinnen, Politikerinnen, mit denen wir gerne gesprochen hätten über ihr Muttersein, hatten nur Söhne! Nicht das Thema des Buches!
Oder oft lebten die Mütter interessanter Töchter nicht mehr oder waren so krank, dass sie nicht gesprächsfähig waren. Oder eine der beiden wollte ein Interview geben, die andere nicht. Oder eine der beiden wollte keine Fotos zuhause. Oder das Thema war ihnen viel zu nah, zu persönlich. Oder ihre Beziehung war ein Minenfeld. Es gibt mehr Mütter und Töchter, die ein wirklich schlechtes Verhältnis miteinander haben, als wir in unserem Leichtsinn dachten. Ich wusste nicht, dass viele, auch bekannte Menschen, das Trauma einer schlechten oder hoch komplizierten Mutter-Tochter-Beziehung mit sich herumtragen. Woran auch immer das in jedem Einzelfall liegen mag.
Wenn man sich über 18 Monate mit diesem Thema so intensiv und praktisch an der Basis beschäftigt, also nicht als theoretische Soziologin, dann wird einem das so deutlich vor Augen geführt, dass es fast weh tut. In unserem Buch zeigen wir also nur einen begrenzten Ausschnitt von Mutter-Tochter-Beziehungen. Die überwiegend positiven, sich unterstützenden, liebevollen Paarungen – da wir die anderen Paare gar nicht interviewen konnten. Auf der anderen Seite kamen wir auf so wunderbar vitale, positive, von tiefer Liebe und Wärme erfüllte Mutter-Tochter-Beziehungen, die uns sehr inspirierten. Und wir waren glücklich, wenn wir diese Paare von einer Teilnahme an unserem Reportagen-Band überzeugen konnten.
Wie schwierig dieses Thema für manche Interviewpartnerinnen war, zeigte auch die Tatsache, dass wir nicht wenige Zusagen hatten, die dann aber wieder zurückgezogen wurden! Das Thema geht einfach nah, und sie bekamen wohl Angst vor dieser Nähe. Obwohl ich in langen Vorgesprächen alles genau erklärte und sie unsere anderen Buchtitel vorliegen hatten und sie wussten: wir hauen niemanden in die Pfanne, gehen höchst respektvoll in Begegnungen miteinander um, halten uns an Regeln der Vertraulichkeit. Denn natürlich werden bei solchen Interviews manchmal viele intime Dinge gesagt, die wir dann auf Wunsch der Damen doch nicht drucken. Es war manchmal eine Gratwanderung in den Gesprächen: wir nah darf man gehen? Aus diesem Grund bin ich auch der Überzeugung, dass die Fotografin Claudia von Boch und ich dieses Buch erst in dieser Phase unserer Berufsleben machen konnten – einfach, weil wir dafür viel, viel Erfahrung brauchten. Als ganz junge Journalistin, frisch aus dem Volontariat, hätte ich ein solch komplexes Buch nicht entwerfen, produzieren und schreiben können.
Diejenigen, die sich für unser Buch begeisterten, sahen es als Hommage an die Mutter oder Tochter, als Vermächtnis, als Zeugnis. Die Motivation war also etwas sehr Tiefgehendes. Deshalb wollte ich als Autorin auch so viel wie möglich die Interviewpartnerinnen direkt im Doppelinterview sprechen lassen, habe mich im Text sehr zurückgenommen, nur jeweils Einleitungen geschrieben und Zwischenkommentare quasi aus dem Off gemacht. Nicht die klassische Portraitform, in dem meine Stimme sonst dominiert. Ich wollte den Mütter und Töchtern im verbalen Hin und Her eine Bühne, eine Stimme geben.
Das im Layout umzusetzen war nicht so einfach, aber wir haben es nach mehreren Entwürfen, Typografieversuchen und dem Zusammenspiel mit Gesprächsportraits gut gelöst. Dazu zeigen wir jeweils zwei Lebensbühnen, zwei Welten, zwei Häuser in jeweils getrennten Bildabschnitten. Die Leserinnern und Leser sollen mit uns von Mutterwelt in die Tochterwelt reisen und umgekehrt. Schauen: was ist gleich, was ist anders? Gibt es Brüche? und zwar in den Lebensentwürfen, bei der Weitergabe von Werten und Tradition – und auch im Stil. Und sich fragen: und wie ist das bei mir?
Die Produktionsbedingungen vor Ort waren immer anders und oft überraschend: manche Mütter und Töchter gingen ganz entspannt mit dem Besuch eines Kamerateams in ihren eigenen vier Wänden um, räumten spontan mit uns Räume um, um sie für die Kamera verständlich zu machen, ließen uns schnell mal staubsaugen oder auch eine Decke bügeln (die Kamera sieht alles! viele wissen nicht, wie sehr! dann muss die Autorin schnell eine Verlängerungsschnur besorgen oder einen kostbaren Giacometti umstellen, bevor das gute Naturlicht für die Fotografin weg ist) – andere waren absolute Perfektionistinnen! Eine der Damen ließ sogar ihren wunderbaren Frisör aus Paris kommen, der dazu noch ein Genie der Blumendekoration war und uns am Abend bestens unterhielt. Für die Fotografin sind weite, helle Räume immer ideal, aber sie muss eben auch sehr schnell und sehr gut dunkle, enge Ecken aufnehmen können, wenn es inhaltlich notwendig ist. Sie liegt auf dem Bauch, steigt auf Leitern, legt sich quer über Treppen, lässt sich auch von beißenden Schweinen oder spuckenden Riesenhunden nicht aus der Ruhe bringen. In Istanbul arbeitete sie über dem Bosporus zwischen Regengüssen an einem Freiluftportrait, in München im Schneesturm mit vier Bodyguards. Wir wissen in unserem Beruf nie, was uns erwartet. Aber das macht es so spannend.
Im nächsten Teil beginnen wir unsere Reise in Paris; sie führt uns weiter über Regensburg, Österreich nach Istanbul …