Jurysitzung Architekturpreis Beton 2020

Online diszipliniert

Über die Vorzüge von Internet-Jurys

Die Jurysitzung zum Architekturpreis Beton 2020 fand in diesem Jahr, aufgrund der aktuellen Pandemie, isoliert statt. Ohne vorabendlichem Dinner, ohne Diskussionen von Angesicht zu Angesicht und ohne anschließendem Sektanstoß. Dass dies nicht zwingend ein Nachteil sein muss, zeigt Autor Oliver Herwig. 

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E20 WOHN­HAUS | FOTO © BRI­GI­DA GONZÁLEZ

Was hat man nicht so alles über stundenlange Diskussionen gehört, über trickreiche Platzierungen, Geschacher zwischen den Rundgängen und hitzige Wortgefechte. Nichts davon ist eingetreten. Online diszipliniert. Und zwar radikal. Niemand fällt dem anderen ins Wort, keiner drängt sich vor. Hahnereien und Grabenkämpfe sind passé. Unsere Köpfe tauchen als winzige Briefmarken am Rande auf, wer gerade spricht etwas größer. Im Zentrum aber steht der Bau, Fotos und Pläne, die vom Rechner der Diskussionleiterin eingespielt werden. Reihum kurze Anmerkungen. Differente Urteile. Und wenn doch jemand polemisch wird, verhallt es in den Weiten des Netzes. So arbeiten wir uns zügig durch die Arbeiten, weil die Vorauswahl, die jede(r) daheim bereits getroffen hat, akzeptiert wird. Der erste Rundgang gewissermaßen. Wir sprechen über die Favoriten, erwägen Alternativen und schwingen wieder zurück zu den gemeinsamen Highlights.

Zwei Stunden später das Ergebnis. Einstimmig. Mit dem guten Gefühl, wieder einmal sehr effektiv gewesen zu sein. Was fehlte? Natürlich die gemeinsame Runde, die Nähe zu abweichenden Meinungen, die Gestik mancher RednerInnen, ihre Gesichter. Online diszipliniert. Und zwar gewaltig. Gut möglich, dass wir so zu einer sachlicheren Diskussionskultur kommen. Das Wort zählt, das Argument, nicht mehr Rangkämpfe um Redezeiten oder Stimmungsmache. Wäre das Ergebnis vor Ort anders ausgefallen? Das werden wir wohl nie erfahren. Tatsächlich wirkt es sehr ehrlich. Und das ist gut.

Ein großes Dankeschön an die Jurymitglieder Susanne Wartzeck (Präsidentin des Bundes Deutscher Architekten BDA), Dr. Brigitte Schultz (Chefredakteurin Deutsches Architektenblatt), Amandus Samsoe Sattler (Architekt Allmann Sattler Wappner Architekten), Sven Plieninger (Geschäftsführer schlaich bergermann partner sbp gmbh), Prof. Florian Musso (Lehrstuhl für Baukonstruktion und Baustoffkunde, Technische Universität München), Ulrich Nolting (Geschäftsführer Informationszentrum Beton GmbH) und Oliver Herwig (Moderator und Journalist, Leiter KAP FORUM).

Die Publikation zum Wettbewerb erscheint am 23.09.2020.

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