Ins Leben zurückgekocht

Ella Risbridger weiß, wovon sie schreibt: Es gab eine Zeit, in der für sie die Welt überwältigend schien. Die Geräusche waren zu laut, die Farben zu hell, alle bewegten sich zu schnell. Eines Nachts lag sie auf ihrem Küchenboden und fragte sich, ob sie jemals wieder aufstehen würde. Es war der Gedanke an ein Huhn, es zu braten und zu essen, welcher sie wieder auf die Beine brachte. Und dann hat sie sich Stück für Stück ins Leben zurückgekocht.

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Mitternachtshuhn

Risbridger hat das alles in Die Geschichte beginnt mit einem Huhn aufgeschrieben. Entstanden ist ein Kochbuch, in dem sich neben diesem „Mitternachtshuhn“ über 80 weitere Rezepte finden, die so originelle Namen wie z.B. „Eheglück Wurstpasta“, „Paté nach Art des Großen Mannes“ oder „Richtig trauern mit Challabrot“ tragen.

Keine Fotos, dafür um so liebevoller illustriert von Elisa Cunningham. Zugleich geht es in jeder Zeile um nicht weniger als das Leben. Hinter jedem Rezept verbirgt sich eine ganz persönliche Geschichte aus Risbridgers Leben, die sie uns gleichsam mitserviert. Wir erfahren einiges über ihre Familie, Freunde, ihre große Liebe und viele Anekdoten aus dem Alltag. Wir begleiten sie durch endlose Kochabende und Picknicks mit Freunden genauso wie durch viele inspirierende Stunden alleine in der Küche mit einem Glas Wein in der Hand.

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Die Autorin empfiehlt ein Glas Wein zum Buch

Die Geschichte beginnt mit einem Huhn ist also nur vordergründig ein Kochbuch; zwar eines mit literarischem Anspruch, das sich nicht nur in der Küche, sondern auch auf dem Sofa gut liest. Vor allem aber ist es ein „Handbuch zum Leben und eine Erklärung der Hoffnung“ (Nigella Lawson). Kochen war Ella Risbridgers Rettung, nachdem ihr Leben mit nur 21 Jahren fast im Suizid geendet hätte. So darf ihr Buch auch als eine „kommentierte Liste von Dingen, für die es sich zu leben lohnt“ verstanden werden. Garniert mit Rezepten und Geschichten, die einem das Herz öffnen. Grunderschütternd ehrlich!

Und jetzt zum Schluss exklusiv das Rezept zum Mitternachtshuhn mit Text von Ella Risbridger:

Mitternachtshuhn

Für 2 Personen, mit Resten (für Suppe und Salat und Brühe und Sandwiches)

  • 1 Huhn, meines wog 1,6 kg
  • 8 Zehen Knoblauch (oder so viele, wie du verkraftest)
  • 2 frische Chilischoten (oder 3, wenn du kein Chilisalz hast)
  • ein paar Zweige Rosmarin
  • ein paar Zweige Thymian
  • 1 großer TL grobkörniger Senf
  • Pfeffer
  • Chilisalz (oder Meersalz)
  • Olivenöl (optional)
  • 1 etwa daumengroßes Stück Ingwer
  • etwa 1 TL Honig
  • 1 Zitrone

Nimm das Huhn aus der Verpackung. Leg es auf ein Backblech und lass es atmen. Heiz den Ofen auf 180 °C vor.

Schäl den Knoblauch, hack die Hälfte ganz klein und gib die Stücke in eine Tasse. Wasch die Chilischoten sowie den Rosmarin und den Thymian, zerschneid alles mit einer Küchenschere und gib es in die Tasse. Füg den Senf, etwas Pfeffer und Chilisalz zu (normales Meersalz tut’s auch, wenn du kein Chilisalz hast). Du kannst auch einen Spritzer Olivenöl zugeben, wenn du magst. Ich mache es nicht immer, aber manchmal schon, und dann ist es ein Genuss.

Schäl und reib den Ingwer, wenn du ein kleines Reibeisen hast. Falls nicht, hack ihn einfach klein. Das passt schon. Gib das meiste davon in die Tasse zu dem Knoblauch und den Kräutern. Die letzte Prise Ingwer kommt zusammen mit dem Honig in einen Henkeltasse.

Setz Wasser auf.

Die Zitrone halbieren. Die eine Hälfte fest und die andere Hälfte ein bisschen weniger fest auspressen. Den größten Teil des Zitronensafts in die Tasse gießen. Umrühren. Gib den Rest des Zitronensafts in die Henkeltasse mit dem Ingwer und dem Honig. Mit heißem Wasser aufgießen. Umrühren. Trinken. Entspannen.

Kümmer dich nun wieder um das Huhn. Lös das Gummiband, mit dem seine Beinchen zusammengehalten werden, und schieb ihm die restlichen vier Knoblauchzehen und die weniger fest ausgepresste Zitronenhälfte in sein kleines Hinterteil. Bind die Beine wieder zusammen, falls möglich, und reib dann die Hühnerhaut mit der Knoblauch-Chili-Kräuter-Ingwer-Zitrone-Mischung ein: Beine, Schenkel, Flügel.

Schieb das Huhn in den Ofen. Stell den Hühnchen-Küchentimer (ich weiß nicht, was du für einen hast, aber meiner hat die Form einer kleinen roten Henne) auf 1 Stunde 20 Minuten, wenn dein Huhn genauso schwer ist wie meines und dein Ofen etwa das gleiche Temperament hat wie meiner. Wenn dein Huhn kleiner oder größer ist als meines, lass es pro 500 g 30 Minuten länger oder kürzer im Ofen. (Es gibt sehr akkurate Garzeitrechner im Internet: Ich benutze immer den von BBC Good Food.)

Trink ein Glas Wein.

Wenn der Küchentimer klingelt, schau nach dem Huhn. Ich tue mich sehr schwer damit, herauszufinden, wann ein Huhn gar ist, aber ich weiß es theoretisch – man sticht mit etwas Spitzem in die fleischigs- te Stelle des Beins, und der herausrinnende Saft muss klar sein. Ist er noch rosa, schiebst du das Huhn wieder in den Ofen. Wenn nicht, stellst du den Ofen ab und lässt das Huhn noch 5 Minuten ruhen. Tunk Brot in den Fleischsaft.

Tranchier das Huhn. Rupf das Fleisch von den Knochen. Trink. Iss. Freu dich.

Illustrationen: Elisa Cunningham