Nicht nur Heidi, sondern auch sonst manch einer braucht die Berge einfach, um glücklich zu sein. Die Alpen sind in den letzten Jahren zu einer der beliebtesten Ferienregionen avanciert. Bewohner und Besucher lieben die Berge und alles, was dazugehört.
Auch in den Wintermonaten ziehen die Alpen nicht nur Skifahrer, sondern Architekturliebhaber gleichermaßen an. Wer die atemberaubenden Alpenlandschaften, die Patina alter Bauernhäuser und zugleich die Vorzüge einer modernen Architektur zu schätzen weiß, dem sei unbedingt das frisch erschienene Buch Traumhafte Häuser in den Alpen von Andreas K. Vetter empfohlen.
Zwei besondere Projekte daraus möchten wir Ihnen heute in Auszügen vorstellen:
Bauernhaus Großschlaggut
Der erste Anschein führt den Betrachter in die bäuerliche Epoche zurück. Schnell aber wird klar: Die wunderbare Patina kombiniert sich mit moderner Technik und Komfort.
Das prächtige Hofhaus im Salzburger Land aus dem Jahr 1648 wird seit 40 Jahren immer wieder an Städter vermietet, nachdem die Landwirtschaft Stück für Stück aufgegeben wurde. Diese gönnen sich dann stimmungsvolle Tage in der Sommerfrische oder beim Schneevergnügen. Anfangs war dies mit wenig Komfort verbunden, das Haus besaß noch die alte Funktionsteilung: Im hölzernen Obergeschoss in altertümlicher Blockbauweise befinden sich die Schlafstuben mit Balkon nach vorne, hinten der Heuboden.
Im steinernen Sockelgeschoss sitzen der für solche Mittelflurhäuser charakteristische durchgehende breite Eingangsflur, die Kuchl und die Tagesstube vorne, hinten der Hühner- und der Schweinestall. In kleinem Abstand folgte noch ein heute abgerissenes Stallgebäude. Im Jahr 2014 fiel der Entschluss zur vorsichtigen Adaption des Anwesens für zeitgemäßes touristisches Wohnen, der vormalige Hof sollte zum Alpenchalet umfunktioniert werden. Der Architekt befürwortete einen sorgfältigen Anpassungsprozess, der schließlich zwei Jahre beanspruchte: von der Bauaufnahme über die Planung sowie sieben Monate Bauphase bis zur Fertigstellung. Verantwortung benötigt Zeit.
Das Ziel war ja nicht nur, das Wohnen mit Bequemlichkeit zu versehen, sondern ein Kulturgut in das 21. Jahrhundert weiterzubauen, ohne es zu deformieren. Bauherrschaft und Architekturbüro wollten dabei Altes präsent halten, originäre Funktionen nachspürbar machen sowie typische Materialwirkungen und Raumatmosphären erhalten oder rekonstruieren. Einerseits wurden also neue Bäder, eine Sauna sowie eine hochwertige Küchenausstattung eingebaut, andererseits sicherte die Architektur mit handwerklicher Expertise das ländlich Archaische, auf dem die Atmosphäre des Hauses basiert: offene Holzwände, sichtbares Mauerwerk, dicke Tür- und Fenstergewände oder schwere Deckenbalken.
Nicht jedoch, ohne die Einfügungen oder die nun betont reduziert gestalteten Elemente der Sanierung mit hellen Holztönen sichtbar zu halten. Der Bewohner, ob temporär oder dauerhaft, kann sich nun kaum noch entscheiden, wem er seine Aufmerksamkeit zuwenden möchte: der geballten Ladung Alpenarchitektur oder der reizvollen Landschaft draußen.
Wohnhaus in Soglio
Wie ein kleiner orthogonaler Fels steht es wohlproportioniert in der Alpenszenerie, das kleine Betonhaus – passend zum Ort und seiner althergebrachten Bauweise.
Es scheint so, als wolle das adrette Landhaus am Westrand des Graubündner Städtchens Soglio davon künden, wie gut sich der Baustoff der Moderne, der Beton, auch für die Alpenlandschaft des Bergell eignet. Und auch, wie passend er sich in die althergebrachte dörfliche Bebauung einfügen lässt. Da die Planer zu den mit traditioneller Architektur sehr erfahrenen Büros gehören, wussten sie, was sie dem Bauherrn vorschlugen, und dieser ging darauf ein.
Entwurfsführende Leitlinien waren einerseits die Tatsache, dass man exakt auf dem Platz einer ehemaligen Schreinerei zu bauen hatte, andererseits der Kontext: Wie die Bauernhäuser in Ort und Region zeigen, baut man massiv in Stein, verputzt oder kompakt in Holz mit schweren Bohlen. Der mit dem Giebel und seinem leicht wirkenden flachen Satteldach zum Tal hin orientierte Neubau wirkt fast skulptural monolithisch. Sein Auftritt ist geprägt durch das Baumaterial, ein innen gedämmter Sichtbeton. Durch Zugabe von Weißzement in hellbeiger Färbung nimmt er die Tönung des für die Gegend typischen Außenputzes auf.
Die tief eingeschnittenen und scheinbar verspielt verteilten unterschiedlich großen Fenster sitzen an präzise bestimmten Positionen und reagieren auf die innere Raumordnung. Wer unten eintritt, passiert ein Schlafzimmer mit Bad sowie Waschküche und Technikraum. Dann erreicht er ein Stockwerk höher den hausbreiten Küchen- und Essraum, der ein spezielles Fenster für den Blick auf Ort und Kirche erhielt. Das oberste Geschoss, dessen Volumen bis unter den Dachfirst reicht, verfügt über ein großes Schlafzimmer sowie ein zweites Bad.
Für Überraschung sorgt die Galerie, von der aus man in die unerwartet großzügig geschnittene Wohnhalle herunterblickt. Sie nimmt den nördlichen Teil der mittleren Ebene ein und verfügt über einen großen Kamin. Ihre Öffnung mit Ausblickfenster und hölzerner Doppeltür folgt der Abendsonne und erschließt die Westterrasse, die zum Hang hin durch den unverzichtbaren Feuerholzstapel Sichtschutz erhält. Und wer Zeit für einen Ausflug hat: Wenige Serpentinen tiefer ist man bereits auf der berühmten Talverbindung entlang des Flüsschens Mera – von St. Moritz im Nordosten zum Comer See im Südwesten.
Fotos: Marcello Mariana (Haus 63 von Ruinelli Associati), Albrecht Imanuel Schnabel (Bauernhaus Großschlaggut von LP Architektur), Filippo Simonetti (Wohnhaus in Soglio von Ruch & Partner Architekten), Foto Slider: Arik Oberrauch (Villa A von Rudolph Perathoner Architekt)