Häuser des Jahres – die Geschichte

Häuslebauer nennt man betulich die Bauherren, die sich ihre eigenen Vier Wände bauen lassen. Typologisch handelt es sich um freistehende Einfamilienhäuser, die drei Viertel der Deutschen als persönlich erstrebenswerte Wohnform betrachten. Aber nicht mal fünf Prozent davon werden von freien Architekten gebaut. Insofern zeigt die Auswahl, die die seit vier Jahren erscheinende Wettbewerbs-Publikation “Häuser des Jahres” versammelt, keinen repräsentativen Querschnitt über den privaten Wohnungsbau im deutschsprachigen Raum. Es ist eine Dokumentation über die Ergebnisse des löblichen Sonderfalls, dass jemand seine privaten Wohnwünsche einem Architekten anvertraut und sich ein Haus bauen lässt. Natürlich ist die Verwirklichung eines individuellen Traumhauses nicht nur eine Frage des guten Geschmacks, sondern auch des Geldbeutels.

HdJ_2011

2011 wurde ein von Armando Ruinelli umgebauter Stall in der Nähe von St. Moritz mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Hier trafen die schlichte, unauffällige äußere Erscheinung und ein wertvoller Ausbau zusammen.

Es geht also um viel. Deshalb ist diese Publikation kein Buch wie jedes andere. Sondern ein Verfahren, ein Prozess, der mit der Auslobung eines Wettbewerbs beginnt und von der Jurierung bis zur Preisverleihung im Deutschen Architekturmuseum treuhänderisch alle Informationen über die ausgewählten Häuser zusammenträgt. Das spannende ist, dass für die Teilnahme keine Einschränkungen gemacht werden, also weder Größe, Baukosten, Material, Konstruktion oder Standort der Häuser eine Rolle spielen, sondern die jeweilige Jury sich jedes Jahr aus dem Fundus der inzwischen über 250 eingereichten Arbeiten selbst ein Thema stellt. Es geht ja nicht nur darum, die besten Entwürfe auszuzeichnen, sondern mit der Veröffentlichung eine Tendenz im zeitgenössischen Bauen zu erkennen und als Möglichkeit weiterzuempfehlen.

HdJ_2012_1

2012 beeindruckten die Jury Vorschläge, die den Wunsch nach den eigenen Vier Wänden als kompaktes Wohnen in der Gruppe realisierten. Daniele Marques erinnerte sich für seinen ausgezeichneten Beitrag an das Ur-Schweizer Thema Terrassenhaus.

Denn natürlich wissen alle Beteiligten, dass man heute freistehende Einfamilienhäuser anders beurteilen muss als in den 1950er Jahren. Ihr Bau, vornehmlich an Ortsrändern, in Siedlungen und auf bezahlbaren ländlichen Grundstücken, trägt nicht automatisch zum Gemeinwohl bei, sie verbrauchen Land, erzeugen Verkehr und verschwenden Energie – was jeder Autor in unserem Buch irgendwie verantwortlich zur Sprache gebracht hat. Aber Architekten sind nicht autistisch und haben den Bau der neuen Lebensumgebung ihrer Auftraggeber sorgfältig bedacht. Auch dies ist eine Botschaft dieses Projekts: Bauen Sie mit einem Architekten! Er will Sie nicht bevormunden, sondern sagt Ihnen, wie Sie ihre Wohnvorstellungen vernünftig, angemessen, attraktiv und solide umsetzen können.

HdJ_2013

2013 ging deshalb der erste Preis an das Büro HHF, Tilo Herlach, Simon Hartmann, Simon Frommenwiler. Sie hatten den Auftraggebern genau das geliefert, was die sich gewünscht hatten: ein Haus in und über der Landschaft, ein einfaches Salettl, das auf einem Podest in die unberührte Natur schaut.

Und was fehlt? Leider ist es nicht möglich, die in den Jahresbänden vorgestellten Häuser zu besuchen. Als Autor kann man nur alle erreichbaren Informationen zusammentragen und versuchen, eine Art Lesehilfe zu geben mit Fotos, Zeichnungen und kurzen beschreibenden Texten. Doch hinter jeder Hauswerdung verbirgt sich eine Geschichte. Niemand baut beiläufig, für fast jede Bauherrschaft bedeutet das langfristig nicht nur eine finanzielle Anstrengung. Es ist eine Auseinandersetzung, eine Vision, ein Abenteuer.

Diese Geschichten würde man gern einmal aufschreiben.

Werkhaus/Gerswalde

2014 wurde eigentlich so eine Geschichte prämiert. Mit Thomas Kröger kam ein Architekt gleich zweimal unter die Ausgezeichneten. Den mit 10.000€ dotierten Preis „Häuser des Jahres“ erhielt er für eine um- und weitergebaute Tischlerei mit einem kleinen Wohnrefugium. Es demonstriert, wie man sich zwischen Werken und Wohnen verständigen kann, wie mit einfachen Mitteln großartige Architektur entsteht – nachhaltig.