1. Du wurdest 2022 zur „Lady Amarena “ gekürt und damit als beste Barkeeperin der Welt ausgezeichnet. Wie hat dieser Erfolg deine Karriere beeinflusst?
Diese Auszeichnung als Lady Amarena war für mich ein absoluter Meilenstein. Nicht nur, weil sie mir auf internationaler Ebene Anerkennung verschafft hat, sondern auch, weil sie mir gezeigt hat, dass meine Art, Drinks zu kreieren, geschätzt und verstanden wird. Dieser Titel hat mir Türen geöffnet, sei es in der Zusammenarbeit mit Marken, bei internationalen Events oder in der Entwicklung eigener Konzepte. Gleichzeitig war es aber auch eine Bestätigung, meiner kreativen Linie treu zu bleiben und weiterhin neue Wege in der Barkultur zu gehen.
Ich bin unheimlich dankbar, dass es eine Competition wie Lady Amarena gibt. Sie bietet vielen talentierten Barkeeperinnen die Möglichkeit, ihr Können auf einer großen Bühne zu präsentieren , sichtbar zu werden und sich in einer oft noch männerdominierten Branche Gehör zu verschaffen. Solche Plattformen sind enorm wichtig, um Vielfalt und Kreativität in der Barwelt weiter voranzubringen.
2. In deinem Buch „Like a Virgin“ geht es nicht nur um Rezepte, sondern auch um Hintergrundwissen. Welche Basics sind deiner Meinung nach besonders wichtig?
Für mich sind die wichtigsten Basics in der Mixologie – egal ob mit oder ohne Alkohol – Balance, Textur und Aromenspiel. Ein guter Drink ist nicht einfach nur süß oder fruchtig, sondern hat Tiefe und Struktur. Dafür muss man verstehen, wie Säure, Süße, Bitterkeit und Umami miteinander harmonieren. Ein weiteres essenzielles Thema ist die Sensorik: Geschmack ist mehr als nur das, was wir auf der Zunge spüren – es ist ein Zusammenspiel aus Duft, Mundgefühl und sogar Farben. Wer diese Grundlagen beherrscht, kann nicht nur Rezepte nachmachen, sondern eigene Kreationen entwickeln.
3. Gibt es eine Geschmacksrichtung oder eine Zutat, die Dich besonders fasziniert und die Du immer wieder neu interpretierst?
Meine Kreationen entstehen oft ganz spontan – durch Impulse, Inspirationen von außen oder bestimmte Triggerpunkte, die mich in dem Moment dazu bringen, mit einer bestimmten Zutat zu arbeiten. Jede Situation, jede Stimmung kann Einfluss darauf haben, welche Richtung ein Drink nimmt.
Wenn ich aber für mich persönlich Drinks kreiere, dann sind sie meist leicht, fruchtig und unkompliziert – so etwas, das man einfach genießen kann, fast wie eine Limonade. Ich stelle mir das ein bisschen wie ein Filmgenre vor: Manchmal hat man Lust auf eine tiefgründige Dokumentation, die zum Nachdenken anregt, und manchmal möchte man einfach leichte,
entspannte Unterhaltung. So funktioniert Mixologie für mich auch – es kommt ganz auf die Situation an.
Es gibt aber definitiv einige Zutaten, mit denen ich besonders gerne arbeite. Gerade bin ich total fasziniert von Yuzu und Calamansi – sie bringen eine besondere Frische und feine Säure mit, die Drinks unglaublich lebendig machen. Generell mag ich fruchtige und süße Komponenten, weil sie eine schöne Balance und Zugänglichkeit in Cocktails bringen.
4. In „Like a Virgin“ spielst Du mit Aromen, Texturen und unerwarteten Zutaten – was war die überraschendste Geschmackskombination, die Du entwickelt hast? Und woher nimmst du die Inspiration für deine Drinks?
Das ist eine unglaublich schwere Frage, weil ich mich da immer in die Perspektive der Leserinnen und Leser oder Cocktail-Fans hineinversetzen muss – und nicht aus meiner Sicht als erfahrene Barkeeperin oder Mixologin antworten kann. Denn für mich sind ungewöhnliche Kombinationen der Standard. Meine Drinks bestehen fast immer aus eher unerwarteten Zutaten.
Eines der verrücktesten Rezepte in Like a Virgin ist sicherlich der Angsthase, in dem Feige, Koriander, Karottensaft, Pfirsichsirup und Zitrone aufeinandertreffen. Oder der Pear Harbour, der eine Sushi-Reis-Infusion mit Birne kombiniert. Auch der Amor& Psyche gehört dazu – ich habe in diesem Buch wirklich einige Signature-Drinks in non-alcoholic Varianten umgewandelt, die in ihrer Kombination außergewöhnlich sind.
Meine Inspiration kommt oft völlig unerwartet – eigentlich immer. Wie ich es auch in Like a Virgin beschreibe, ist Kreativität für mich eine Impulssache. Ein Drink kann aus den unterschiedlichsten Momenten heraus entstehen: Ich sehe ein Bild, höre ein bestimmtes Lied oder bin von einem Kunstwerk fasziniert. Manchmal inspiriert mich auch ein Gericht oder eine einzelne Zutat, die ich irgendwo entdecke. Und manchmal sind es Menschen – ihre Eigenschaften, ihre Energie, ihre Geschichte. Ich lege diese Inspirationen auf die Mixologie um, übersetze sie in Aromen und Texturen. So sind tatsächlich schon Drinks aus den absurdesten Situationen entstanden.
5. Wenn Du nur drei Mocktails aus Deinem Buch empfehlen dürftest – welche wären es und warum?
Diese Frage ist fast unmöglich für mich zu beantworten, weil ich zu jedem einzelnen Rezept in Like a Virgin eine persönliche Verbindung habe. Alle 60 Mocktails sind für mich besonders, weil sie direkt aus meinen Gedanken, Emotionen und Erfahrungen entstanden sind. Es fühlt sich ein bisschen an, als würde man Eltern fragen, ob sie ein Lieblingskind haben – das hat man ja auch nicht. Jeder Drink ist auf seine eigene Weise einzigartig.
Aber wenn ich einen hervorheben müsste, dann wäre es 154. Das ist der Cocktail meines Lebens – mit ihm habe ich die Lady Amarena gewonnen. Er begleitet mich schon seit Jahren und hat einen enorm hohen emotionalen Wert für mich. Deshalb war es mir auch besonders wichtig, ihn als Mocktail neu zu interpretieren.
Trotzdem fällt es mir unglaublich schwer, nur drei zu wählen, weil jeder Drink eine eigene Geschichte erzählt und für eine bestimmte Stimmung oder ein bestimmtes Erlebnis steht.
Fotocredit: Daniel Esswein