Von Wasserhähnen und Gartenschläuchen

Spare Spare Häusle bauen… Habt ihr euch schon mal überlegt, was es bei der Planung eines Eigenheimes eigentlich alles zu beachten gibt? Autor Jan Weiler verschafft uns einen Einblick in Situationen, die sicherlich auch bei der Konzeption der 50 besten von Architekten geplanten Einfamilienhäuser im deutschsprachigen Raum das ein oder andere Mal auftraten. Er beweist nicht nur in seinem Thriller “Kühn hat Ärger” architektonischen Spürsinn, sondern geht auch in diesem gesellschafts-satirischen Text so manchen Problemen auf den Grund…

 

Als Anja und Karsten Helmig im Münchner Stadtteil Freimann das einzige Haus ihres Lebens bauten, nahmen sie sich einiges vor: Es sollte genug Platz für sie und die beiden Kinder bieten. Es sollte funktional sein. Es sollte den neuesten Stand der Haustechnik abbilden und ökologisch nachhaltig sein. Es sollte nicht zu sehr auffallen, aber auch nicht langweilig wirken, was in etwa der Wesensbeschreibung der beiden Bauherren entsprach. Und: Sie sollten sich darin wohlfühlen.

Der gruselige Gedanke, fünfundzwanzig Jahre lang ein Haus abzubezahlen, das sie womöglich nicht mochten, gefiel ihnen ebenso wenig wie die Vorstellung, darin leben zu müssen. Sie fürchteten, dass das Wirken der selbstbewussten Architektin, die Bauvorschriften, die Nachbarn und nicht zuletzt das Budget zu Kompromissen führen könnten, die ihnen den Spaß verderben würden. Hinzu kam die berechtigte Sorge, als Anfänger im Baugewerbe irgendetwas zu übersehen. Das geht ganz schnell, und die Liste der Mikroentscheidungen, die immer auch in Bezug zu und in Absprache mit den oben angeführten Antagonisten getroffen werden, ist von epischer Länge.

Beispiel: Karsten schlug sich die Nächte um die Ohren mit der Frage, wie viele Außenwasserhähne so ein Haus eigentlich benötigt. Jeder Wasserhahn kostet nämlich Geld. Ist ein sehr langer Gartenschlauch billiger? Und wenn man ja einen Wasserhahn links und rechts vom Haus installiert, was ist dann mit dem Vorgarten? Und falls mal unsortierte Jugendliche des Nachts in den Garten brechen, wäre es dann nicht gut, sie überhaupt nur einen einzigen Hahn aus Daffke aufdrehen könnten? Oder sogar gar keinen? Und wo bekäme man dann das Wasser her, um den Rasen zu sprengen? Oder verzichtete man völlig auf Rasen und damit auch auf Wasserhähne zugunsten eines Steingartens? Und würde man sich nicht Jahre später ärgern, weil man diese unfassbar öde Steinwüste angelegt hatte? Und wäre es in Hinblick auf den Dritten Weltkrieg nicht unbedingt ratsam, kleine Landwirtschaft zu betreiben? Und wären dafür nicht mindestens zwei Anschlüsse erforderlich?

Karsten dachte ausführlich über diese Fragen nach. Er grübelte auch über Geräuschdämmungen von Waschmaschinen, über Elektrosmog, über die richtige Platzierung von Lichtschaltern und über weitere 5.294 Themen, die ihn und Anja dann über eineinhalb Jahre in Atem hielten. Da er es in seinem Beruf gewohnt war, wichtige Entscheidungen zu treffen, überließ er der Architektin nur jene, die sein Vorstellungsvermögen übertrafen, ansonsten brachte er sich ein wie eine junge Amsel im Frühling. Womöglich hat diese konstruktive Haltung die Ausführung der Pläne insgesamt eher ein wenig verlangsamt und am Ende kaum sichtbare Verbesserungen gebracht, aber zumindest Anja und Karsten waren der Meinung, genau das Haus gebaut zu haben, das ihnen von Anfang an vorschwebte. Es erhielt übrigens zwei Wasserhähne, von denen aber bisher nur einer benutzt wird, weil es auf der rechten Seite des Hauses nichts zu bewässern gibt. Aber das könne sich ja im Laufe des nächsten Vierteljahrhunderts noch ändern, erklärte Karsten sich selbst, seiner Frau und den ersten Besuchern.

 

…Auf dem Geschmack gekommen? Der komplette Text ist nachzulesen im Vorwort von Häuser des Jahres 2019 – ab sofort erhältlich.

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Jan Weiler ist Journalist und Schriftsteller. Er war viele Jahre Chefredakteur des SZ-Magazins. Er verfasst Romane, Hörspiele, Drehbücher und Kolumnen und lebt in München. 

 

Foto Jan Weiler: Hoang Dang Vu
Beitragsbild: Valentin Jeck, Stäfa // Häuser des Jahres 2019