Bye bye Schimmi

Zum Tod von Horst Schimanski = Götz George = Schimmi

„Hotte Du Idiot, hör auf mit der Scheiße!“ Mit diesem Satz begann ein Stück Fernsehgeschichte. Es ist der erste Satz, den Kommissar Horst Schimanski spricht, damals, 1981 in Duisburg-Ruhrort. Wobei, sagt er wirklich Hotte? Oder, wie es in einem Stern-Artikel heißt, Zottel?

Dienstausweis Schimmi
Nun für immer außer Dienst gestellt - Horst Schimanski

Genau versteht man das nicht. Und man wird ihn auch später noch oft nicht so genau verstehen, diesen schnodderigen, immer leicht indisponierten Ruhrpott-Kommissar Schimanski. Doch auf metaphorischer Ebene versteht man ihn umso besser. Seine Wut, seine Liebe zu seinem Duisburg, seine unbändige Kraft, mit der er sich gegen das Böse stellt und gegen die transformativen Kräfte, die aus dem „Pott“ einen anderen Ort machen wollen. Ohne Zechen und mit weniger Arbeitern. Dafür mit mehr Call Centern und globalen Investoren.

Duisburg als Kulisse
Für Schimanski das richtige, weil passende Terrain - Duisburg

Er hat diesen Kampf verloren. Er konnte ihn nur verlieren – und musste ihn dennoch kämpfen. Schimanski ist ein Stück alte Bundesrepublik. Ihm gilt dieser Nachruf – und nicht Götz George, jenem letzten deutschen Großschauspieler, der diesen Charakter entwickelte und – absolut im Wortsinne – verkörperte. Schimmi, das ist Georges Werk. Und mit dem verstorbenen Götz George tritt jetzt auch er ab. Endgültig, nachdem er zuletzt immer noch mal sporadisch in einzelnen Episoden auftauchte. Aber doch auch dort schon furchtbar aus der Zeit gefallen war.

Seine Zeit, das waren die 1970er und 1980er. Eine Zeit vor der Globalisierung, in der schmierige Kleinkriminelle ihr lokal begrenztes Duisburger Terrain absteckten. Ausländer gab es schon, aber im Wesentlichen in Form der Gastarbeiter. Schimanski mochte sie. Denn sie waren Underdogs, mit denen er sympathisierte und die er gegen das System verteidigte. Und weil er den migrantischen No-Names glaubhaft Sympathie entgegen brachte, verzieh man ihm auch Aussagen wie „Knoblauch! Warst Du wieder mit Deinen Kameltreibern essen?“

Zum Tod von Goetz George
Frühe Begegnung im Duisburg 1984 - Götz George zeigt dem späteren Ermittler Dietmar Bär, wo der Hammer hängt (Doppelseite aus dem Buch Schauplatz tatort, Callwey 2013)

Ethnisch waren diese „Kameltreiber“damals natürlich ein Fremdkörper im proletarisch-dichten Duisburg des Horst Schimanski. Doch sie gehörten irgendwie zu diesem Ort dazu. Wie auch all die anderen Figuren, die Binnenschiffer, die Kneipiers, die vielen Liebschaften von Schimmi, von denen nur wenige es heute noch als Geliebte von, sagen wir, Nick Tschiller taugen würden. Schimanski liebte sie, weil sie so waren wie Duisburg. Nicht hübsch, nicht geschminkt – oder, wenn doch, dann mit billigem Rouge und zu grell. Aber urig waren sie – und auf verschrobene Weise auch irgendwie sexy.

Goetz George Nachruf
Tschiller vs. Schimanski - zwei Macho-Kommissare im Schnelltest (Doppelseite aus dem Buch Schauplatz tatort, Callwey 2013)

Dieses Sex Appoeal scheint im Duisburg von heute verloren gegangen zu sein – oder zumindest im Verschwinden begriffen. Guido Walter, Co-Autor unseres Tatort-Buches, hat das in seiner Duisburg-Reportage hervorragend herausgekitzelt. In Zeiten von Starbucks und architektonischer Gleichmacherei, in der auch in Duisburg Binnenhäfen von Stararchitekten wie Norman Foster zu „Waterfronts“ umgebaut werden, verschwindet auch die Erinnerungsmacht räumlicher Konstellationen. Orte bedeuten nichts mehr, es sei denn sie tragen die Insignien medial vermittelter Globalisierung.

Duisburg Ruhrpott
Zu Zeiten von Götz George als Horst Schimanski noch aktuell, die Zechen des Ruhrpotts

Und auch das Fernsehen ist ja nicht mehr das, was es mal war. Das wissen wir alle, wenn wir, jeder ein Mini-Kulturkritiker, unsere kleinen Besprechungen TV-vermittelten Einheitsbreis über soziale Medien verbreiten. Nur wenige machen das gut. Einer jener wenigen ist mein zweiter Co-Autor, Oliver Elser. Regelmäßig versorgt er montags seine Facebook-Freunde mit hervorragenden Kurzkritiken der neuesten Tatort-Folgen.

Ansonsten herrscht, auch in Zeiten der Social Media, mediale Tristesse. Doch so ganz neu ist auch dieser Eindruck nicht. Medienkritik war schon immer mit uns. Übrigens auch im ersten Schimanski-Tatort. Denn was tat jener „Hotte“, den Schimanski quer über die Straße anranzte? Er warf seinen Fernseher aus dem Fenster, begleitet mit einem Sermon über das „Scheißfernsehen“, das auch nichts mehr tauge.

An einem Tag wie heute ist man fast geneigt, ihm zuzustimmen.