Willkommen zu Teil 2 des Making of-Berichts Mütter & Töchter. Wir beginnen unsere Reise in Paris; sie führt uns weiter über Regensburg, Istanbul schließlich ins Kloster … Und stellen fest – so nach und nach legen Stefanie von Wietersheim und Claudia von Boch ein Spinnennetz über Europa, wenn wir ihren Auto- und vor allem Flugrouten mit dem Finger auf der Landkarte folgen.
Die Buchproduktion beginnt im Mai 2014 in Paris: Im Halteverbot vor dem Picassomuseum, Shoot bei Florine Asch im Marais, die kleinen Töchter Flora und Iris wollen auch fotografieren. Überall Tische von Diego Giacometti – und eine Katze springt während des Interviews immer auf meinen Schoß. Nach den Shoots streifen wir durch Paris auf der Suche nach Inspiration. Autorin und Fotografin wohnen zu zweit in einem Mini-Apartment und teilen sich ein Doppelbett mit der Fotoausrüstung. Dafür haben wir einen super Blick auf die Fassade eines alten Theaters.
Am dritten Tag der Paris-Produktion sind wir bei Florine Aschs Mutter, Henriette Asch. Sie wohnt in einem Palais, in dem einst Madame de Maintenon lebte, auch Madame de Sévigné verkehrte hier. So sieht es auch aus. Wir kommen uns vor wie in einem Film. Auch hier: Katzen, die ins Bild wollen. Mittags gibt es Sandwiches und Crêpes. Die Katze legt sich zur Siesta daneben. Ich würde am liebsten neben ihr schlafen. Geht aber nicht. Später holt die Hausherrin die besten Eclairs der Stadt für uns. Und sie sagt uns, dass wir bei Meert nebenan die besten Waffeln der Stadt bekommen. Stimmt. Spät am Abend Kontrastprogramm: wir entdecken eine Boutique eines Kammerjägers, der Rattenfallen ausstellt. Die Schlepperei der Fotoausrüstung und das Parken in Paris: ein Abenteuer! Dafür sind die Treppenhäuser zum Niederknien schön.
Claudia fotografiert in Regensburg bei Ingrid Kohl, der Mutter von Astrid Prinzessin von Liechtenstein, wir werden gut mit Trüffeln versorgt und mit Blumen beschenkt. Der Husky will sie auch. Wir reisen weiter nach Österreich, um Charlotte Knobloch und Tochter Sonia zu interviewen, die gerade aus Tel Aviv angereist ist. Nachdem wir kurz in den Alpen verloren waren, packen wir das Fotozeug aus, holen uns vor dem Interview ein Backhendl und picknicken im See. Das beste Hendl unseres Lebens. Mit viel Improvisation, Aufregung und drei Bodyguards dabei finden wir eine fantastische Location für das Doppelportrait der beiden Damen. Und sorgen für Aufsehen. Was es nicht leicht macht, eine intime Gesprächssituation zu schaffen.
Dann auf nach Istanbul, wahrlich eine exotische Reise zwischen Orient und Okzident. Wir wohnen im lautesten Hotel der Stadt und bügeln erst einmal die Interviewklamotten. Hinter dem Hotel: Blick auf den Bosporus. Zum Sterben schön. Da muss man nicht schlafen. Denn das Frühstück gibt es auch mit Blick auf das Wasser. Bei Maria Eliyesil, der Mutter von Melissa Gräfin von Faber-Castell: reicher Orient. Wunderbares Interview. Hund Alfi springt immer ins Bild und es regnet. Dann kommt ein Regenbogen. Pure Magie. Wir besuchen so schnell es geht die Hagia Sofia und fahren über das Wasser mit einem Linienschiff. Aus dem Hotel haben wir keinen Teppich mitgebracht, dafür viele tolle Geschichten. Am Rückflug lese ich die türkische Marie Claire Maison. Das heißt ich tue so und schaue die Bilder an.
Diese Strecke war ein echtes Wagnis! Die Tochter der Lüneburger Äbtissin von der Goltz, Felicitas Runge, restauriert ein barockes Herrenhaus mit eigenen Händen in der Einöde Mecklenburgs. Wir möchten ihren Pioniergeist, das Aufbauen, das Neumachen zeigen, Dinge, die sie von ihrer Mutter gelernt hat. Aber wie setzt man eine Ruine poetisch in Szene? Felicitas ist Feuer und Flamme für unser Projekt und wir lassen uns alle auf das Wagnis ein. Was wird das für Bilder geben, spielt das Wetter noch mit? Wir brauchen schönes Herbst-Licht. Wir wissen von iPhone Fotos, wie sehr Ruine diese Ruine noch ist. Und sind hingerissen vom Charme des Bröckelns und Aufbauens. Und die Landschaft um Torgelow ist einfach zum Weinen schön. Wasser, Vögel, Alleen soweit das Auge reicht – und keine Menschenseele dort. Ein echter Kontrast zu Istanbul. So unterschiedlich leben Frauen in unserem Wohnbuch! Im Caddy Transporter unserer Interviewpartnerin: unser Bettzeug, Stiefel und Proviant. Denn wir arbeiten auf einer Baustelle und sind am Abend von Staub ganz weiß. Ich mag diese Strecke besonders, und es tut mir so leid, dass wir schließlich im Buch nur einen Ausschnitt zeigen können.
Von Mecklenburg geht es ab nach Berlin-Mitte. In den Sophienhöfen lebt die Tänzerin und Choreografin Louise Wagner. Was für eine Interviewpartnerin! Wir sind hingerissen von dieser klugen, besonderen jungen Frau. Es wird noch Monate und Monate dauern bis wir endlich einen gemeinsamen Interviewtermin mit ihrer Mutter Nike Wagner finden, die die viel beschäftigte neue Intendantin des Beethovenfestes in Bonn ist. Ich führe in Berlin mit Louise ein langes, dichtes Gespräch, Claudia fotografiert ihre Wohnung und ihren Probenraum – den riesigen Dachstuhl der Sophienkirche. Einmalig. Überall Bilder von Mutter und Tochter. Über sie könnte ich ein ganzes Buch schreiben. Louise tanzt für uns auf dem dunklen Dachboden.
Wie lebt eine Äbtissin? Was für ein Leben bietet das Kloster im Jahr 2015? Wie lebt man in so einer Frauengemeinschaft? Und wie wird man als vierfache Mutter Äbtissin? Das wollen wir wissen und besuchen eines der schönsten Klöster Europas, Kloster Lüne. Dort lebt Äbtissin Reinhild Freifrau von der Goltz. Eine beeindruckende Frau mit Charisma, Tatkraft, Humor und Eleganz. Sie beherbergt uns zwei Nächte bei sich im Kloster, im rosafarbenen Gästehaus. Sonst wohnen dort befreundete Geistliche. Wir fühlen uns sehr geehrt. Jeder bekommt am Ankunftsabend einen riesigen Schlüssel. Es ist besonders, morgens um 6 Uhr im Kloster zu erwachen, das Fenster zu öffnen, auf das Rosenrondell zu sehen. Ich glaube, ich würde hier später gerne leben. Wir sprechen viele Stunden mit der Äbtissin, ziehen mit dem Fotoapparat durch Kreuzgang, Kirche, über enge Treppen, in die ehemaligen Schlafkammern – und vor allem in die Privaträume der Äbtissin. Jede Kammer ist anders ausgemalt, jeder Raum ein echtes Wunder. Wir können uns nicht satt sehen. Es gibt so viel zu sehen und so wenig Zeit! Wo sollen wir nur anfangen? Wir sind ganz fasziniert von den Porträts der Äbtissinnen aus verschiedenen Jahrhunderten und dem Äbtissinenthron. Die Äbtissin öffnet alle ihre Geschirrschränke und deckt mit uns den großen Tisch in der Halle so, wie sie es für ein Essen mit ihren Konventualinnen tut. Altes Europa. Sie holt extra eine andere Tischdecke für das Foto hervor. Die muss aber erst mal gebügelt werden. Das ist Zackzack Job der Autorin, die noch nie eine gefühlt 100 Meter lange Decke gebügelt hat. Claudia fotografiert die Hände der Äbtissin – wie die Hände aller Damen. Um ihnen nahe zu kommen, die Spuren ihres Lebens zu sehen. Am Abend weitere Gespräche mit der Äbtissin und ihrer Tochter, Felicitas Runge, am Kamin. Wir essen Butterbrote, die Äbtissin liest uns Geschichten vor. Wir sind verzaubert. Was für ein tolles Lebensmodell, gerade auch, wenn man etwas älter ist!
Und schon wieder am Flughafen, wir reisen nach Verona, um dort am Land das Mutter&Tochter-Haus von Prinzessin Liechtenstein und ihrer Mutter Ingrid Kohl zu besuchen. Wir sind Hausgäste bei ihr. Um Mitternacht, als ich ankomme, erwartet mich ein schöner Rosenstrauß auf meinem Zimmer. Beide Damen lieben Huskies, sie haben hier fünf Tiere, plus ein Hängebauchschwein, das öfter schlechte Laune hat. Wir arbeiten auf einem riesigen Gelände, in einem 3 stöckigen alten Turm, treppauf treppab, anstrengend körperlich. Dafür ist der fantastische Directeur Artistique des legendären Pariser Coiffeurs Alexandre hier. Er stylt die Damen – und macht aus Freundschaft zur Prinzessin auch die Blumendeko. Ein fantastisch organisierter Haushalt! Zwischendurch essen wir die Tischdeko auf. Mutter Kohl kann das gar nicht sehen und versorgt uns mit deutschen Torten. Und als nach Stunden endlich Licht, Haare und Deko für das Doppelportrait sitzen, ist auf einmal die Mutter verschwunden. Fotografin flucht. Und ist selig, als die Mutter wieder kommt.
Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und ehemalige Vorsitzende des Zentralrats der Juden, empfängt uns aus Sicherheitsgründen nicht privat daheim, sondern in ihrem Büro. Ich gehe ganz früh morgens auf den Viktualienmarkt, um ihr Blumen mitzubringen. Wir haben mit ihr schon in Österreich ein langes Gespräch über ihre mutterlose Jugend geführt, und darüber, woher sie die Kraft nahm, ihren eigenen drei Kindern eine so enge Mutter zu sein – obwohl sie es selber nicht erlebt hat. Die Sicherheitsmaßnahmen, unter denen sie leben muss, sind nach dem Attentat auf Charlie Hebdo in Paris erschreckend. Wir bewundern diese über 80 Jahre alte Dame mit dem Tagesplan eines Topmanagers sehr.
Melissa Gräfin von Faber-Castell haben wir vor einigen Monaten in Istanbul bei ihrer Mutter gesehen. Es hatte über 30 Grad, wir saßen am Bosporus, sprachen über interkulturellen Dialog, die politische Lage in der Türkei und Integration. Nun besuchen wir sie in ihrer Lebenswelt in München. Es schneit, das Licht ist grau. Aber ihre Wohnung ist so schön bunt und fröhlich. So viel Lebensfreude. Wir bauen mehrere potentielle Covermotive. Melissa unterstützt uns mit Rat, Tat, Ideen. Großartig. Dazu kocht die türkische Kinderfrau uns lauter Spezialitäten ihrer Heimat. Alles wird fotografiert. Und ja: schließlich wird eines ihrer Motive das Cover!
Teil 3 des Making of schildert weitere Stationen und bietet Einblicke ins Buch.
Hier können Sie Teil 1 des Making of nachlesen!