Schon in ihrem ersten Werk Ein Garten ist niemals fertig wussten die Autoren und Gärtner aus Leidenschaft Manfred Lucenz und Klaus Bender, dass das Gärtnern ein immerwährender Prozess ist, mit allen Höhen und Herausforderungen, die es zu meistern gilt. Die Freude, die das Gärtnern bereitet, haben sie in all den Jahren niemals eingebüßt. Ihr druckfrisch erschienenes neues Werk Verrückt nach Garten vereint den jahrelangen Erfahrungsschatz der beiden Autoren und stellt 10 außergewöhnliche Gärten mit all ihren zum Teil herausfordernden Bedingungen vor. Anhand praktischer Beispiele und Fotos durch das Jahr sowie Vorher- und Nachher-Bildern wird veranschaulicht, was man wissen muss, um mit Freude und Erfolg auch unter schwierigeren Gartenbedingungen zu gärtnern.
Einen der wunderschönen Gärten aus dem Buch stellen wir hier in Auszügen vor:
Raum für gärtnerische Kreativität
Eine idyllische Umgebung
Vor dem Haus verläuft eine schmale Straße als Zufahrt, die von einem Bach begleitet wird. Sein Plätschern ist bis in den Garten zu hören. Auf der Rückseite ist das Anwesen von extensiv genutzten Viehweiden umgeben. Sie ziehen sich über den gesamten aufsteigenden Hang, so dass der Blick vom Garten auf blühende Wiesenblumen und die kleine dort grasende Rinderherde fällt. Mit dem Bachlauf und den Wiesen hat das Grundstück einen natürlichen Rahmen, der die Atmosphäre entscheidend mitbestimmt. Daher gehen die Pflegemaßnahmen auch bis weit über die Gartengrenze hinaus. Wolfgang Seethaler spricht schmunzelnd von „geborgter Landschaft“, für die man auch etwas tun könne.
Ein Buchenhain als Mittelpunkt
Da es ihn störte, dass das Haus nicht mitten auf dem Grundstück stand, schuf er einen optischen Mittelpunkt, indem er 17 Hainbuchen in Form einer großen Ellipse in den Raum zwischen Wohnhaus und Geräteschuppen pflanzte. Die Hainbuchen wurden zu 1,10 Meter hohen Stämmen gezogen, oberhalb der Stämme bilden sie eine geschlossene Hecke, die eine Gesamthöhe von 3,40 Meter erreicht. Durch regelmäßiges Schneiden wird sie schmal gehalten. Anschaulich könnte dies auch als „schlanke Hecke auf Stelzen“ beschrieben werden. Durch die frei gehaltenen Stämme fällt der Blick auf den Boden des Innenraums, der mit einem außergewöhnlichen Pflaster belegt ist. Ovale, halbierte Flusskiesel aus der Region wurden von dem Gartenplaner Markus Nickel zu einem Platz von ganz besonderem Reiz zusammengefügt. Im Innenraum der Ellipse vervollständigt eine Klangskulptur aus Cortenstahl das Ensemble, das zum Mittelpunkt des Hofes geworden ist. Im Inneren des durch die Hecke geschlossenen Raumes ist eine besondere Atmosphäre entstanden, da neben der Pflasterung und der Skulptur nur noch der Himmel zu sehen ist. Die Zufahrt zum Haus und der Hof sind mit Kies belegt und durch den Buchenhain in der Mitte ist ein praktischer Kreisel entstanden.
Das Raritätenkabinett
Die zweite „gärtnerische Skulptur“ liegt am Rande des Grundstücks links neben dem Eingangstor: Verschiedene Heckenpflanzen wie Eiben, Portugiesische Lorbeerkirschen und Säulen-Lebensbäume wurden abwechselnd zu einem 11 x 6 Meter großen Oval gepflanzt. Die Hecke wird von einigen jährlich gestutzten Hochstämmen des Eisenbaums unterbrochen und aufgelockert. Diese erinnern durch den Schnitt an die Strenge von Kopfweiden, durch ihr Laub bringen sie jedoch Leichtigkeit und Bewegung und im November zusätzlich noch Farbe in die starre Heckenwelt. Das Besondere dieser Hecke ist ihre außergewöhnliche Form: Wolfgang Seethaler nennt die unterschiedlichen und in abgerundeten Formen geschnittenen Heckenpflanzen „Wellen“ oder „Dromedar-Hecke“. Im Innenraum versammeln sich Pflanzen, die er mit Augenzwinkern als „schräge Vögel“ bezeichnet, weil sie sich aufgrund ihrer Farbe oder anderer Eigenschaften nicht so leicht in den Garten integrieren lassen.
Ein Gartenpavillon der besonderen Art
Eine „dritte Gartenskulptur“ ist ein raffniert durchdachtes Brennholzlager. Da Wolfgang Seethaler keine Genehmigung für ein festes Gebäude erhielt, in dem er sein Feuerholz trocknen konnte, stapelte er seine Holzvorräte zu einem großen Halbkreis mit 6,5 Metern Durchmesser. Starke Robinienholzpfähle stabilisieren das bis zu 2,20 Meter hochgeschichtete Holz, das mit einem hölzernen Dach vor Regen geschützt wird. An der Außenseite sind Rahmen mit Holzgittern in die Wand ein gesetzt, die wie Belüftungsfenster aussehen. Dadurch entsteht der Eindruck, dass es sich um ein laubenartiges Gebäude handelt. Doch eigentlich erfüllt das simple Konzept neben dem Lagern von Brennholz gleich mehrere Funktionen: Der Holzvorrat ziert den Gartenraum, dient als geschützter sommerlicher Sitzplatz, als ein trockener Stellplatz für Gartenmöbel sowie als Wärmespeicher für den Abend. Das Holz wärmt sich tagsüber in der Sonne auf und gibt die Wärme am Abend wieder ab. Dabei ist es faszinierend, dass das Holz Wärme schenkt, ohne verbrannt werden zu müssen. Der Geruch des geschlagenen Holzes verbreitet eine behagliche Atmosphäre, die ausladenden Äste des alten Nussbaumes halten außerdem die Mücken ab und sorgen für ungestörte Sommerabende mit Blick auf grasende Rinder. Es ist der Lieblingsplatz von Wolfgang Seethaler, da er dort weder viel vom Haus noch vom Garten sieht, wo immer ungetane Arbeit präsent ist.
Alle drei „Gartenskulpturen“ stehen mit genügend Abstand voneinander, damit sie als einzelne Objekte wirken können.
Ein glücklicher Gärtner
Der Garten Seethaler zeigt, wie Arbeit und Freizeit zusammengehen können und dabei eine beeindruckende Kreativität freisetzen. Dabei macht die Natur die Zeitvorgaben, denn das Wachstum der Pflanzenwelt entzieht sich der ständigen Beschleunigung einer an Technik ausgerichteten Lebensweise. Wolfgang Seethaler bezeichnet sich deshalb als „glücklichen Menschen“ und erzählt: „Ich lebe jeden Tag im Überfluss. Ich habe Gemüse, Beeren und die Hühner legen mehr Eier, als ich essen kann. Doch die Gaben der Natur allein stellen einen nicht vollständig zufrieden. Häufig sagen mir Besucher im Haus und im Garten, dass sie so viel Liebe spüren, die sich in den vielen kleinen Details zeigt. Um den Garten als Erschaffer und Gestalter ganz zu erfahren, braucht es also Menschen, die ihren Emotionen als Betrachter freien Lauf lassen und sich mitteilen. Vielleicht liegt in diesen Erfahrungen auch das größte Geheimnis des Gartens. Kaum jemand sagt, er hätte zu viel Liebe in seinem Leben erfahren, fast jeder glaubt, es sei nicht genug. Entscheidend ist, dass man nicht über die Defizite klagt, sondern erst Ideen, Mühe und Hingabe investiert – und natürlich auch Geld. Doch in vielen Fällen wird eher zu viel ausgegeben. Ein kreativer Garten ist nicht unerschwinglich und man ‘erntet’ im höheren Sinne immer mehr, als man hineingesteckt hat.“
Sein gärtnerisches Credo hat seinen Ursprung in der tiefen Zufriedenheit eines gelebten Gartens.
Die ungekürzte Fassung des Gartenporträts finden Sie neben weiteren besonderen Gärten in dem neu erschienenem Buch Verrückt nach Garten.
Mehr zum Buch und über die Autoren erfahren Sie im Interview.
Fotos: Marion Nickig