Englands schönste Gartenschätze

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Greyhounds im Nebel ...

November, ein richtiger nebliger Herbsttag … So beginnt Anja Birnes Nachwort zu unserem neuen Titel Englands schönste Gartenschätze. Mit einer dampfenden Tasse Tee in der Hand träumt sie sich beim Schreiben durch die eindrucksvolle Bandbreite englischer Gärten, Klassiker sowie Neuentdeckungen, die im Buch vorgestellt werden. Die Reise führt dabei durch die Gartengeschichte und die Lebensentwürfe zahlreicher Gärtnerpersönlichkeiten. Die Entwicklung der Rasenmäher und Gewächshäuser ist ebenso spannend wie die der Küchengärten mitsamt ihrer aktuellen Renaissance.
Nun erwecken die ersten warmen Sonnenstrahlen auch unsere Garten- und Reiselust! Für diejenigen, die noch keine Gelegenheit hatten, einen Blick in diese opulente Neuerscheinung zu werfen, stellen wir hier auszugsweise einen der im Buch gezeigten Gärten vor:

BARNSLEY HOUSE, Gloucestershire

Als Rosemary Verey sich Anfang der 1950er-Jahre als junge Frau in Barnsley House im ländlichen Gloucestershire niederließ, wollte sie den Garten zunächst zu einem schönen Spielort für ihre Kinder machen. Als diese dann aber aufs Internat gingen, ermutigte David Verey seine kluge, dynamische Frau dazu, sich eingehender dem Garten zu widmen.
Dafür beherzigte Rosemary den nützlichen Rat von Percy Cane, einem angesehenen Gartengestalter jener Zeit, „stets die längste Achse durch den Garten bestmöglich zu nutzen“ und sie mit einem interessanten Blickpunkt zu versehen. Das gelang Verey in Barnsley House, indem sie einen Pfad zwischen Linden, die ihr Mann gepflanzt hatte, verlängerte und durch einen Laubengang aus Goldund Blauregen bis zu einer Sonnenuhr am südwestlichen Rand des Gartens führte. Der berühmte Blick durch den Goldregen-Laubengang ist durch tausend Kalender und Zeitschriftencover in aller Welt bekannt geworden: atemberaubend, verschwenderisch, explosiv – wenn auch nur für kurze Zeit im späten Frühjahr.

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Auf dem Papier hat der Gemüsegarten eine streng geometrische Struktur, die in der Vegetationszeit zurücktritt.

Mit am spannendsten am Garten von Barnsley House ist, dass er auf dem Papier streng geometrischen Formen folgt, mit geraden Linien und symmetrischen Mustern, von denen einige auf Entwürfe zurückgehen, die Verey in Büchern des 17. Jahrhunderts fand. Ihre Auffassung von Bepflanzung führte jedoch dazu, dass diese strikten symmetrischen Strukturen fast das ganze Jahr über nahezu vollständig unter üppiger Blumenpracht verschwanden – was die der Fläche verhafteten Reißbrettpläne um eine dritte Dimension erweiterte.
In Mein Traumgarten entsteht schrieb sie: „Als dieses Haus 1697 erbaut wurde, waren formale Gärten in England noch immer in Mode, und so entsprach es dem Zeitgeist, dem Garten eine formale Basis zugrunde zu legen.“ (…)
Sie geizte nicht mit Ratschlägen und war als strenge Zuchtmeisterin ihrer Gärtner bekannt. Stets machte sie umfangreiche Notizen und hielt darin nicht nur Fehler fest, die sich nicht wiederholen sollten, sondern auch die vielen Erfolge. Um eine andere Perspektive zu gewinnen, empfahl sie, sich beim Erkunden eines Gartens „immer umzudrehen und ihn aus der anderen Richtung zu betrachten“.

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Blick von den Parterrebeeten auf den Eibenweg.

In Spitzenzeiten pilgerten mehr als 25 000 Besucher jährlich zu dem 1,4 Hektar großen Garten und bestaunten die üppigen Beete mit ihrer im Frühjahr und Sommer nicht enden wollenden Pracht ein- und mehrjähriger Pflanzen. Der Stil des Gartens mochte locker wirken, doch in Wirklichkeit kostete es enorm viel Zeit, die akkurate formale Struktur mit einer Fülle frisch aussehender Blumen zu füllen. Und im Winter sorgten Mengen immergrüner Sträucher und Frühblüher für den gewünschten Effekt.
Als Barnsley House 2002, rund ein Jahr nach Rosemary Vereys Tod, zum Verkauf stand, wurde breit diskutiert, was aus dem Garten werden sollte. Heute ist das elegante Steinhaus aus dem 17. Jahrhundert ein schickes Boutique-Hotel, und die aktuellen Besitzer halten Vereys Stil in beachtlichem Maß die Treue. (…)

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Der Gemüsegarten zeigt sich in weniger ordentlichem Zustand als zu Vereys Zeit.

Da ein Hotelrestaurant mehr benötigt, als ein kleiner Potager hergibt, wurde auf einer nahen ehemaligen Weide ein größerer Küchengarten angelegt. Im Kohlbeet lässt sich dort Toskanischer Palmkohl neben ‘Purple-Sprouting’-Brokkoli und ‘Romanesco’-Blumenkohl bestaunen. Besonders schön sind die Salatbeete mit ihren farbenfrohen Sorten. Und im mehrjährigen Kräuterbeet finden sich Salbei, Rosmarin und Majoran sowie zarter Fenchel.
Die Gärtner in Barnsley House erwarten nicht, dass Gäste in den Garten kommen, um die Komposthaufen zu inspizieren – so eindrucksvoll diese auch sind. Bei echtem Interesse erzählen sie aber stolz, dass die als Dünger verwendeten Pferdeäpfel von Tieren vor Ort stammen, und zwar aus den berühmten Rennställen gleich um die Ecke. Auf Barnsley House wahrt man bis heute hohe Standards – bis hin zum Mist auf den Blumenbeeten.

Fotos: © Clive Nichols (1), © Marianne Majerus (3), Foto Slider: © Country Life