Architektur der Emotionen

Heute wird’s persönlich. Kann es nur, denn es geht um Fußball.

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Und damit um Leidenschaft, Emotion, Glück. Oder eben auch: Verzweiflung, Ohnmacht, Wahnsinn. Von einer Sekunde auf die andere kann das kippen – in die eine, wie in die andere Richtung. Das 4:4 nach 4:0-Führung unserer Nationalmannschaft ist noch in allzu frischer Erinnerung. Ein solches Spektakel am Fernseher (oder Radio!) zu verfolgen, ist schon nervenaufreibend. Aber richtig „schön“ wird es erst, wenn man live vor Ort ist. Im Schmelztiegel der Emotionen, dem Fußball-Stadion. Es ist einfach berauschend, diesen einen Moment mit vielen Tausend anderen zu erleben, wenn die ganze geballte Anspannung in einer Zehntelsekunde explodiert.

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Bisher dachte ich immer, die Faszination Fußball funktioniert nur in Kombination mit dem legendären Ort, dem Stadion, dem Club, den Menschen. Den Autoren Andreas Bock, Benjamin Kuhlhoff (beide Redakteure bei 11FREUNDE) und Alexander Gutzmer (Chefredakteur des Architekturmagazins Baumeister) ist es in Zusammenarbeit mit dem Grafiker Tom Ising gelungen, diese Faszination doch glatt zwischen zwei Buchdeckel zu bannen. Zumindest ein Stück weit.

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Das geht schon damit los, dass das Buch von außen die Anmutung eines Fußballs hat. Optisch, aber auch haptisch. Es fasst sich an wie das begehrte Runde. Innendrin schlagen einem die Emotionen nur so entgegen. Da sind die Bilder  (viele von Reinaldo Coddou H.), die das Hexenkessel-Feeling gut einfangen; da sind aber auch Geschichten über Geschichten, in denen ich mich sofort festgelesen habe. Sie kreisen um die Stadien, die vorgestellt werden; aber vor allem haben sie mit den Menschen zu tun: mit uns Fans, den Architekten, berühmten Profis, oder z.B. mit Renate Kressin, die als Hauptkassiererin von Hertha BSC in 30 Jahren kaum ein Spiel „ihrer“ Hertha hat sehen können.
Die schönsten, besten Stadien stellen die drei Autoren vor. Die Auswahl ist fundiert und wird von den Dreien überzeugend präsentiert. In der „Champions League“ etwa finden sich das Westfalenstadion, Anfield oder auch die Allianz Arena; in der „Ersten Liga“ spielen u.a. San Siro, Old Trafford, La Bombonera, Arena auf Schalke mit. Und natürlich dürfen im Fußball Überraschungserfolge nicht fehlen – Braga oder Craven Cottage sind hier zu nennen.

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Das Buch sprüht eine große Lebendigkeit aus, was wohl in erster Linie an den vielen Interviews liegt. Da kommen z.B. zu Wort Campino (über Liverpool und seine Anfield Road), Günter Netzer (Bernabéu), Marcel Reif (Braga) oder Toni Schumacher (Aztekenstadion). Interessant auch die Gespräche mit den aktuell führenden Architekten im Stadionbau: Volkwin Marg (vom Büro gmp) oder Jacques Herzog (Herzog/de Meuron). Da bekommt man eine Ahnung, wie ein Fußballtempel geplant, gebaut wird, werden muss, damit es zu dem Kraftfeld wird, als das wir es lieben. Mein persönliches Fazit: FußballWunderBauten sind 192 Seiten Arenafeeling pur! Und nachdem das Buch nun gut vier Wochen im Handel ist, wird diese Einschätzung bestätigt und geteilt: u.a. von Slanted, Schalke-Fans und Schwatz-Gelb, wie auch von Fokus Fussball (Interview mit den Autoren zum Nachhören).

Fotos: alle Fotos stammen aus Fussball-Wunder-Bauten